Das rote U
nicht. Wir tun ihn in diesen Brief.
Mit
herzlichen Grüßen...“
Und dann unterschrieben sie
alle, Silli , Boddas , Mala , Knöres und Döll.
Nie aber hat ihnen der Kaffee
so gut geschmeckt wie an diesem späten Nachmittag.
Ein Junge ist verschwunden
Am Montag konnten Mala und Boddas kaum das Ende der
Zehnuhrpause erwarten. Denn gewiss würde das Rote U wieder seinen Zettel
in ihr Buch gelegt haben. Viel mehr hatten sie doch am Sonntag geleistet, als
ihr unsichtbarer Hauptmann von ihnen verlangt, und wenn er ein anständiger
Kerl war, dann musste er ihnen auch ein ganz gehöriges Lob geben.
Außerdem aber erwarteten sie neue Befehle für den Montag. Oder
würde das Rote U alles andere allein erledigen?
Aber so sehr sie auch
blätterten – sie fanden nichts. Doch konnten ja auch die anderen
heut einmal den Zettel bekommen haben. Die zwei Stunden bis zwölf Uhr
wurden ihnen entsetzlich lang. Endlich, endlich klingelte es doch, und wie die
Wilden rannten sie hinab auf die Straße.
„Habt ihr was
gefunden?“ fraget Knöres sofort.
Und bei ihm standen Silli und Döll und schauten sie mit großen
erwartenden Augen an. Da wussten sie es: das Rote U hatte heut nicht
geschrieben. Vielleicht hatte es sich ihren Brief von der Post noch nicht
abgeholt?
Nun, heute Nachmittag
würden sie es ja sehen.
Und sie freuten sich zum ersten
Mal, dass sie des Nachmittags in die Schule mussten.
Aber auch jetzt fanden sie
nichts. Was half es ihnen, dass sie auf dem Nachhauseweg alle Taschen umkehrten
in Rock, Hose und Mantel? Sogar in ihrer Kapuze schaute Silli nach...
Was mochte mit dem Roten U
geschehen sein? Sie rieten hin und her, aber sie konnten sich nichts denken. Silli meinte sogar, sie sollten einmal an der Post fragen,
ob der Brief noch da läge. Aber das ging doch nicht. Was würde der
Schaltermann von ihnen denken? Vielleicht ließe er sie glatt verhaften.
Aber wie sie daheim ankamen,
hofften sie schon allesamt wieder auf morgen.
Als sie am Dienstag aufstanden,
war in der Nacht neuer Schnee gefallen. Und och immer
schneite es in dicken Flocken. Da vergaßen sie fast das Rote U, und sie
dachten nur noch daran, dass in wenigen Tagen Weihnachten wäre.
Schon lange hatte es zur ersten
Stunde geschellt, aber der Lehrer war noch immer nicht in der Klasse. Eine
Viertelstunde verging, noch eine, und die Kinder machten einen Lärm wie
eine ganze Bande Menschenfresser. Auf einmal wurde die Tür aufgerissen,
und der Lehrer stand darin.
„Ruhe!“ befahl er.
Du lieber Himmel – der
Rektor war ja bei dem Lehrer, und in der Klasse war es auf einmal so still wie
in einem Grabe... Da – sie spürten plötzlich ihr Herz kaum
noch... neben dem Rektor ging noch einer, ein Tschako blitzte... Oh, sie
kannten ihn alle – das war der Mann, den sie am meisten in der ganzen
Welt fürchteten – das war der Kommissar Rademacher.
Eine ganze Menge von Kindern
war bleich geworden. Sie erinnerten sich plötzlich an ihre Untaten aus dem
letzten halben Jahr: Äpfel gemopst, Laternen ausgedreht, auf’s Eis gegangen, wie’s noch verboten war,
auf treibende Eisschollen gesprungen, dem Wachtmeister Zirkenfeld die Zunge herausgestreckt...
Mit einem Schlage war ihre
ganze Weihnachtsfreude dahin.
Da, nun ging’s auch schon
los. Der Kommissar mit dem Rektor und dem Lehrer kam in die Klasse. Sie hatten
furchtbar ernste Gesichter. Die Kinder meinten, sie hörten Ketten in der
Tasche des Kommissars rasseln... Wen würde er alles gefesselt
abführen nachher? Mit weit aufgerissenen Augen starrten die Kinder hin...
Und nun fing der Rektor zu sprechen an.
„Jungen“, sagte er,
„es ist ein schreckliches Unglück passiert. Gestern Nachmittag nach
der Schule ist der kleine Bernhard nicht mehr nach Hause gekommen. Die armen
Eltern haben gewartet... eine Stunde lang, und dann haben sie mit mir telefoniert.
Und ich bin gleich zu eurem Lehrer gelaufen. Ich habe gedacht, vielleicht hat
der Junge Nachsitzen. Aber nein, er war wie ihr alle um vier Uhr gegangen, als
es gerade dunkel wurde. Und dann haben wir die Polizei alarmiert...“
Den Kindern lief es kalt
über den Rücken, wie sie das fremde aufregende Wort
‚alarmieren’ hörten.
„Und nun bin ich selber
mitgekommen...“, fing der Herr Rademacher, der Kommissar; an, „muss
jetzt fragen, vielleicht wissen die Jungen was. Sagt mal, wer von euch ist
gestern Nachmittag mit dem kleinen Bernhard gegangen?“
„Ich, ich!“
meldeten sich gleich zwei Kinder.
„Rauskommen –
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