Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
auf das Haus. »Ich weiß nicht, warum solche Leute unbedingt hierher ziehen müssen.«
    »Wie ich gehört habe, versuchen sie, was Gutes für die Gegend zu tun und ein wenig Vertrauen in die hier ansässigen Leute zu beweisen.«
    Oban zog eine Grimasse. »Ja«, sagte er. »Und das ist der Dank, den sie dafür ernten. Sie sind so verdammt naiv. Ich habe das alles schon mal erlebt. Diese Frau spaziert am Kanal entlang, als wär’s ein Feldweg auf dem Land. Vor ein paar Jahren ist so was mal einer Frau passiert, die in einem Hotel hier in der Gegend wohnte. Kennen Sie die Geschichte?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ich höre so viele Geschichten über Frauen.«
    »Diese blieb wenigstens auf der Straße, aber ein paar Jungs schleppten sie auf den Treidelpfad hinunter. Dort vergewaltigten sie sie, und hinterher fragten sie sie, ob sie schwimmen könne. Sie war so clever, Nein zu sagen. Die Kerle warfen sie in den Kanal, doch sie konnte sich ans andere Ufer retten.«
    »Was würden Sie uns Frauen raten?«, wollte ich wissen.
    »Daheim zu bleiben, alle Türen abzusperren und den Fernseher einzuschalten?«
    »Sicherer wär’s.«
    »Noch besser wäre es, wenn alle am Kanal spazieren gehen würden.«
    »Wer möchte schon an einem stinkenden Kanal spazieren gehen?«
    Langsam hatte ich genug von diesem Gespräch. »Was meinen Sie, sollen wir jetzt reingehen und mit Bryony Teale sprechen?«, fragte ich.

    Oban schien zu überlegen. »Vielleicht wäre es besser, wenn Sie erst mal allein mit ihr reden.«
    »Ich bin nicht sicher, ob wir überhaupt etwas aus ihr herausbekommen werden«, gab ich zu bedenken. »Gestern schien sie in ziemlich schlechter Verfassung zu sein.«
    »Tun Sie einfach Ihr Bestes, ja? Bringen Sie uns irgendwas, egal, was.« Dann murmelte er etwas, das ich nicht verstand.
    »Was haben Sie gesagt?«
    Oban öffnete den Mund, aber es kam nur eine Art Prusten.
    »Dieser verdammte Doll!«, brachte er schließlich heraus.
    »Er hat irgendwie mit der Sache zu tun.«
    »Sie haben doch gesagt, er war nur Zeuge.«
    »Der war nicht nur Zeuge, da verwette ich meinen Arsch!«
    Oban hatte inzwischen einen hochroten Kopf. Der Beamte am Steuer drehte sich um und warf mir einen viel sagenden Blick zu. »Ich will diesen Scheißkerl endlich hinter Gittern sehen. Fragen Sie die Frau nach Doll.
    Fragen Sie sie, was er dort gemacht hat.«
    »Entschuldigen Sie«, entgegnete ich, »aber wenn ich es richtig verstanden habe, handelte es sich doch um denselben Ort, denselben Kanalabschnitt und dieselbe Entführungsmethode. Doll verbringt nun mal sein Leben dort, er sitzt jeden Tag mit seiner Angel und seinen Maden am Kanal. Und zufällig waren das Mädchen und der andere Zeuge ebenfalls dort. Doll hat ihr geholfen.«
    Oban stieß ein sarkastisches Lachen aus. »Ich habe keinen blassen Schimmer, was da eigentlich abgeht«, sagte er. »Aber Doll hängt von Anfang an wie ein übler Geruch in dieser Sache drin. Ich weiß es einfach, und Sie wissen es auch. Sie haben schließlich mit ihm gesprochen, und Sie haben gesehen, wo er lebt.«
    Ich schauderte. »Ja. Also gut, ich werde sie fragen. Soll ich einfach an der Tür klopfen?«
    »Ja. Wir haben rund um die Uhr eine Beamtin dort postiert, auch wenn sie wahrscheinlich nur mit Teekochen beschäftigt ist. Sie wird Ihnen aufmachen.«
    »Und was tun Sie inzwischen?«
    »Ich fahre wieder. Falls sie in der Lage ist, eine Aussage zu machen, schicke ich einen von meinen Detectives vorbei.« Als ich die Wagentür öffnete, legte Oban seine Hand auf meine.
    »Sehen Sie zu, dass Sie etwas in Erfahrung bringen können, Kit. Ich brauche dringend neue Informationen.«
    Die junge Beamtin kam an die Tür. »Dr. Quinn?«
    »Ja. Wie geht es ihr?«
    »Weiß nicht. Sie hat nicht viel gesagt.«
    Ich sah mich um. Obwohl der Holzboden und die Treppe abgezogen und frisch eingelassen waren, hatte der Eingangsbereich etwas Lässiges, leicht Verwegenes an sich. Ein Fahrrad hing an einem dicken Haken an einer Wand. In der Diele standen Regale mit Reihen zerlesener Taschenbücher, ebenso oben am Treppenabsatz. Von der Diele aus gelangte man in die Küche, die auf einen Garten hinausging. Die Tür neben mir schwang auf, und ein Mann trat heraus, der Mann, den ich im Krankenhaus gesehen hatte. Er war unrasiert und sein dunkles, lockiges Haar zerzaust. Er trug ein marineblaues Sweatshirt, eine Jeans und ausgelatschte Tennisschuhe ohne Socken. Er sah so aus, wie ich mich fühlte. Wahrscheinlich hatte er noch

Weitere Kostenlose Bücher