Das rote Zimmer
Kauz.«
»Was hat er getan?«
»Wer?«
»Der seltsame Kauz.«
»Er hat geholfen.«
»Und da war ganz sicher noch ein weiterer Mann?«
»Wie meinen Sie das? Was glauben Sie denn, worum es hier geht?«
Ich warf erneut einen Blick auf die Aussage. »Hier steht recht wenig von einer Täterbeschreibung.«
Er wirkte ein wenig verlegen. »Es ging alles so schnell.
Da waren bloß diese Gestalten in der Dunkelheit und dann die Frau, die auf mich zu stürzte. Ich wusste ja gar nicht, was da vor sich ging. Wenigstens habe ich gleich danach auf die Uhr geschaut.«
»Das war gut«, gab ich ihm Recht. »In welchem Zustand war Bryony, ich meine, die Frau?«
»Ziemlich aufgelöst«, antwortete Terence. »Ein bisschen hysterisch. Sie hat immer wieder betont, es sei alles in Ordnung, sie brauche keine Hilfe, und das, obwohl sie in einem schrecklichen Zustand war. Das arme Mädchen.
Geht es ihr gut?«
»Sie steht noch unter Schock. Aber das wird bald vorüber sein, denke ich. Was hat Doll – der andere Mann
– getan, während Sie die Polizei anriefen?«
»Getan? Nicht viel. Sie gehalten, sich ein wenig um sie gekümmert. Nicht gerade der Typ Mann, den man sich in einem Notfall wünscht. Sie hatte inzwischen ein bisschen zu weinen begonnen und klammerte sich an meinen Arm, wimmerte leise vor sich hin und bat mich, bei ihr zu bleiben. Ich sah, dass sie einen Schock hatte. Ihre Hände zitterten, und sie atmete schnell und stoßweise. Ich hoffe, sie haben ihr Tee mit viel Zucker gegeben, das ist in einem solchen Zustand das Beste. Darf ich Sie was fragen?«
»Natürlich.«
»Der Typ, bei dem ich die Aussage gemacht habe, ich glaube, er hieß Gil, hat gesagt, der Angreifer sei wahrscheinlich derselbe Kerl gewesen, der Philippa Burton umgebracht habe.«
»So, hat er das gesagt?«, gab ich trocken zurück.
»Stimmt das?«
»Keine Ahnung.«
»Ich hätte ihn mir schnappen können. Ich hätte ihn bestimmt eingeholt. Ich wusste nur nicht, was vor sich ging.«
»Sind Sie sicher, dass Sie sich, was diese vierte Person betrifft, an gar nichts erinnern können – Größe, Haarfarbe, Kleidung?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Es ging alles so schnell.«
»Haben Sie gesehen, in welche Richtung er gelaufen ist?«
»Nein. Ich bin davon ausgegangen, dass er zur Straße hochgerannt ist, aber gesehen habe ich es nicht. Ich hätte ihm folgen sollen, stimmt’s?«
»Sie haben telefonisch Hilfe herbeigeholt. Das war das Wichtigste. Es ist Sache der Polizei, hinter den Leuten herzurennen.«
»Sie hat so gefroren. Ich habe ihr meine Jacke um die Schultern gelegt, bis der Krankenwagen und die Polizei kamen.«
»Gut. Das war gut.«
»Aber der Mörder von Philippa Burton. Das wäre was gewesen …«
»Eine hübsche Dame«, sagte er mit zitternder Stimme.
»So eine hübsche kleine Dame.«
»Michael.« Ich versuchte seinen Blick festzuhalten, der ständig durch den Raum schweifte und nirgendwo lange verweilte, mit Ausnahme des Fensters, durch das man auf den Parkplatz hinaussehen konnte.
»Zweimal.« Seine Stimme klang seltsam hoch.
»Zweimal ist mir das nun schon passiert. Ich bin zweimal dabei gewesen, Kit.«
Er sah schrecklich aus. Von seinem linken Nasenloch zog sich eine hässlich klaffende, nässende Wunde über den Mundwinkel bis zum Kinn hinunter, was sein Gesicht leicht verzerrt wirken ließ und außerdem den Eindruck erweckte, als wäre sein Mund ständig zu einem leichten, zuckenden Lächeln verzogen. Die Wunde war rot und angeschwollen. Ich vermutete, dass er sich an ihr zu schaffen gemacht hatte, denn an mehreren Stellen ragten Enden eines Nylonfadens hervor. Selbst während wir sprachen, konnte er seine Hände nicht still halten und zupfte dauernd daran herum. Seine Lippe war geschwollen, und er befühlte sie immer wieder mit der Zungenspitze. An der Stirn hatte er eine große Schürfwunde. Eines seiner Augen war blutunterlaufen, sein Haar fettig, und seine Sachen hingen an ihm, als hätte er binnen weniger Tage mehrere Kilo abgenommen.
Außerdem roch er ziemlich streng – ein penetranter, säuerlicher Geruch erfüllte den winzigen Raum.
»Warum ich, Kit?«, fragte er mit seiner quengeligen Stimme.
»Warum trifft es immer mich?«
»Keine Ahnung«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Trotzdem geht es Ihnen einigermaßen, oder? Sie Held der Stunde.«
»Eine hübsche Dame«, sagte er wieder. Für einen Moment blieb sein Blick an mir hängen. »Nicht so hübsch wie Sie. Sie sind immer die Hübscheste, da
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