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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Im Grunde käme dir das in jeder Hinsicht entgegen. Dann wärst du nämlich einmal mehr das arme Opfer. Der große, missverstandene Will Pavic.
    Und es würde zeigen, wie dumm die Polizei ist. Es wäre mehr oder weniger dein Lieblingszustand – du im Recht und alle anderen im Unrecht. Was ja im Wesentlichen deine Weltsicht ist.«
    Will lächelte noch immer. »Dann ist es mir also nicht gelungen, dich zu täuschen?«
    Ich nahm seine Hand und zog ihn neben mich aufs Bett, streichelte über sein stacheliges, kurzes Haar und küsste ihn auf die Stirn. Dann legte ich meine Handfläche auf seine Wange, und er lehnte sich einen Moment dagegen.
    »Ich habe ein ziemlich schlimmes Jahr hinter mir«, erklärte ich. »Ich habe Albträume.«
    »Kit …«

    »Eine Weile hatte ich überhaupt kein Sexleben, aber gerade eben war es absolute Spitzenklasse, so richtig schön. Nein, schön ist das falsche Wort. Du weißt schon, was ich meine. Manchmal frage ich mich, ob ich vielleicht gerade dabei bin, mich in dich zu verlieben.«
    »Kit …«, sagte er noch einmal. Wenigstens machte er sich jetzt nicht mehr über mich lustig.
    »Vielleicht hast du Recht«, fuhr ich fort. »Vielleicht fühle ich mich zu dir hingezogen, weil du immer so mürrisch und abweisend bist und mir auf irgendeine Weise Angst machst. Oder weil du unglücklich wirkst und ich mir einrede, dich wieder glücklich machen zu können – du weißt schon, diese typisch weibliche Fantasie. Jedenfalls hat mich allein schon das Gefühl, wieder begehrt zu werden, ziemlich glücklich gemacht. Es hat mir das Gefühl gegeben, wieder richtig zu leben. Aber ich möchte nicht mit jemandem zusammen sein, dem alles völlig egal ist und der sich niemandem öffnen kann. Leidenschaft ohne Zärtlichkeit ist auf Dauer nicht mein Ding. Dafür bin ich nicht abgebrüht genug. Und ich bin wirklich schlecht darin, Spielchen zu spielen – da, bitte, ich lege alle meine Karten auf den Tisch. Keine Asse, wie du sehen kannst.«
    Ich stieß ein kurzes Lachen aus. Er schwieg noch immer.
    »Vielleicht brauche ich jemanden, der nicht ganz so harte Knochen hat.«
    Will schob mir eine feuchte Haarsträhne hinters Ohr.
    »Ich glaube, für mich wird es viel schlimmer sein als für dich, wenn wir uns nicht mehr sehen«, fuhr ich fort. »Ich bin ganz schlecht darin, jemanden zu verlassen. Das war noch nie meine Stärke. Du kannst das wahrscheinlich viel besser – ich wette, du vergeudest nicht viel Zeit damit zurückzublicken.«
    »Ich möchte dich noch sehen, Kit.«

    »Ja, aber nur zu deinen Bedingungen.«
    »Wie sehen denn deine Bedingungen aus?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich mit einem leisen Schluchzen. »Aber das Problem ist, dass ich welche habe.«
    Er lächelte. »Muss ich das jetzt verstehen? Klingt nämlich ziemlich verwirrend.«
    »Ich weiß.« Er reichte mir ein Taschentuch. »Fest steht, dass ich jetzt gehen muss. Zumindest für heute Abend.
    Aber vielleicht wäre das überhaupt das Beste.« Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Schsch, sag nichts.
    Nicht jetzt.«
    Ich stand auf und zog mich an.
    »Ich halte es für keine gute Idee, wenn du um diese Zeit allein durch die Stadt läufst«, sagte Will.
    »Keine Angst, mir passiert schon nichts«, antwortete ich.
    »Mein Name stand nicht auf der Liste.«

    Ich trat aus dem Haus und marschierte los, ohne mich noch einmal umzublicken. Der Vollmond schien so hell, dass die Ränder der Wolken wie Wellen schimmerten.
    Mein Körper bebte vor Anspannung, und ich spürte, wie mir heiße Tränen über die Wangen liefen. Ich atmete tief durch und wischte mir übers Gesicht. So, nun fühlte ich mich schon besser. Ich hatte das Richtige getan, so viel war klar. Kein Grund, sich deswegen noch groß aufzuregen. Wahrscheinlich war die Sache sowieso gelaufen. Ich konnte trotzdem an nichts anderes denken.
    Schluss jetzt, rief ich mich selbst zur Vernunft. Es gab schließlich noch andere Dinge, über die ich mir Gedanken machen musste.
    Es war noch nie ein Problem für mich, nachts allein in einer Großstadt herumzulaufen. Ich glaube, dass man, wenn man flott und zielstrebig dahinmarschiert, relativ sicher ist. Ich habe einen großen Teil meines Berufslebens damit verbracht, mit kriminellen Männern zu sprechen, und sie oft danach gefragt, wie sie ihre Opfer auswählen.
    Die Antwort lautet, dass sie sich Leute, hauptsächlich Frauen, aussuchen, die durch besondere Schwächen, mangelndes Urteilsvermögen oder offensichtliche Unsicherheit ihre

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