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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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zu seinem Auto zu begleiten, war Bryony ja im Besitz von Emilys Schnabeltasse. Nun bringt Gabe Doll um und lässt die Tasse zurück. Doll ist tot, endgültig erledigt, und der Fall ist abgeschlossen.«
    Julie verteilte die letzten Tropfen Wein auf unsere Gläser.
    »Noch eine?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete ich. »Ich bin schon am Ausnüchtern.«
    »Klingt aber nicht danach«, meinte sie. »Mir geht das alles ein bisschen zu schnell. Es war doch nicht nur die Schnabeltasse, oder? Da war auch noch dieser Lederbeutel.
    Glaubst du wirklich, dass er den absichtlich zurückgelassen hat? Da wäre er aber ein ziemliches Risiko eingegangen.«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, entgegnete ich.
    »Ich glaube nicht, dass das Absicht war. Du hättest diesen Raum sehen sollen. Überall nur Blut. Gabe selbst muss von oben bis unten bespritzt gewesen sein.«
    »Falls er wirklich dort war«, fügte Julie hinzu.
    »Er war dort. Er ist voller Blut, zieht sich aus, um sich im Bad zu waschen, vergisst den Beutel. Das Ding wird gefunden, aber wie sich herausstellt, ist das nicht weiter schlimm, weil die Polizei es für eine weitere von Dolls Trophäen hält.«
    Julie schwieg einen Moment. Sie sah aus, als müsste sie die vielen Informationen erst mal auseinander dividieren.
    »Und das alles hast du Oban in fünf Minuten reingedrückt?«, fragte sie schließlich.
    »Er hat die Kurzversion bekommen.«
    »Kein Wunder, dass er dich rausgeschmissen hat.«
    »Du bist nicht überzeugt?«
    »Ich weiß nicht. Das muss sich in meinem Kopf erst mal ein bisschen setzen. Fest steht, dass ich noch einen Drink brauche, egal, was du dazu sagst.«

    Sie bestellte uns zwei Brandys. Als sie gebracht wurden, nahm sie sofort einen Schluck und verzog das Gesicht.
    »Also, was wirst du jetzt unternehmen? Hast du vor, es noch mal bei Oban zu versuchen?«
    Ich schnippte mit einem Finger gegen mein Glas. Es klirrte leise.
    »Nein«, antwortete ich nachdenklich. »Ich glaube, sein guter Wille mir gegenüber ist aufgebraucht. Keine Ahnung, was ich jetzt machen werde. Ich denke schon die ganze Zeit darüber nach. Weißt du, dass Paul McCartney, nachdem er sich ›Yesterday‹ ausgedacht hatte, tagelang grübelte, wo er den Song schon gehört hatte? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er tatsächlich von ihm war. Ich frage mich die ganze Zeit, ob ich vielleicht Muster sehe, wo gar keine sind.« Ich griff nach meinem Glas und nahm einen Schluck. »Vielleicht sollte ich sie einfach besuchen und darauf ansprechen.«
    »Wen?«
    »Bryony und Gabe.«
    »Wie bitte? Du willst ihnen sagen, dass du sie für Massenmörder hältst?«
    »Nein, ich würde nur eine kleine Andeutung machen, sie ein wenig beunruhigen. Vielleicht unternehmen sie dann was.«
    Julie leerte ihr Glas. »Wenn sie unschuldig sind, werden sie gar nichts unternehmen«, antwortete sie. »Und wenn nicht – vielleicht einen weiteren Mordversuch. An dir.«
    »Etwas Besseres fällt mir nicht ein.«
    Nun war es an Julie, mit dem Finger auf mich zu deuten.
    Ihre Hand zitterte ein bisschen. »Wie viel hast du getrunken?«, fragte sie.
    »Zwei Margaritas. Ungefähr eine Flasche Wein. Und diesen Brandy.« Ich kippte den letzten Schluck hinunter.
    »Genau«, sagte Julie. »Deswegen hoffe ich, dass nur der Alkohol aus dir spricht. Trotzdem macht mir der letzte Teil unseres Gesprächs Sorgen. Ich bin völlig sicher, dass sich morgen früh keine von uns beiden an die Einzelheiten dieses Abends erinnern wird. Ich jedenfalls nicht.
    Trotzdem möchte ich, dass du mir versprichst, nichts wirklich Dummes zu tun. Versprichst du mir das?«
    »Ich versprech’s«, antwortete ich lächelnd.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir glauben soll.« Sie legte mir eine Hand auf die Schulter und schüttelte mich, als wollte sie mich aufwecken. »Kit, merkst du denn nicht, dass das, was du da tust, absoluter Wahnsinn ist? Ich meine das wirklich ernst!«
    »Nein, ich …«
    »Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll ist, sich in Gefahr zu bringen, wenn es dafür einen guten Grund gibt.
    Selbst dann würde ich es nicht empfehlen.« Sie legte eine kurze Pause ein und holte tief Luft, ehe sie fortfuhr: »Aber du sprichst davon, dich völlig grundlos in Gefahr zu bringen. Als ob das Leben dieser zwei toten Frauen irgendwie wichtiger wäre als dein eigenes. Wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Ja. Aber ich sehe das nicht so.«
    »Klar, du siehst das Ganze von hinten nach vorn und von innen nach außen. Du versuchst, Tote

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