Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
eine gewisse Verzweiflung spüren? Wichtig ist nur, dass dieser Mensch, der die Verzweiflung spürt, nicht in ihr versinkt, sondern das sieht, was er zu tun hat und das tut was er zu tun hat.“ Wie viel wusste Balain?
„Wie meint ihr das, Balain?“
„Darf ich offen sein?“
An’luin schluckte. Und nickte.
„Die Möglichkeit einer Liebe zu Cathyll ist abgeschlossen und beendet. Selbst wenn sie mit ihrem zukünftigen Mann nicht glücklich wird, so wird euch euer Weg nicht mehr zusammenführen. Die Gedanken an sie sind auf gewisse Art normal, aber Du musst aufpassen, dass sie nicht zu lange bleiben. Was dich davon abhält sie gehen zu lassen, ist die Tatsache, dass du deine Verzweiflung und deine Wut nicht zeigen und spüren willst. Aber sie ist da. Lass sie da sein, verstecke sie nicht. Ich meine damit nicht, dass du sie ihr, oder irgendjemand anderem zeigen musst, sondern, dass du dir klar machen musst, dass du Schmerz empfindest. Spüre diesen Schmerz. Sonst wirst du nicht wachsen und - in der Sprache der Laauri - körperlich nicht wachsen.“ An’luin schaute den Priester erneut überrascht an. Was wusste Balain von den Laauri?
„Und noch etwas musst du tun - du musst dich entscheiden, wie du mit Nieda verbleiben willst. Dabei solltest du dich nicht von Scham beeinflussen lassen. Scham ist ein schlechter Ratgeber. Was geschehen ist, ist geschehen. Verurteile dich dafür nicht.“
An’luin war dankbar. Dankbar dafür, dass man Balain nichts erkl ären musste und er dennoch genau zu wissen schien, was in einem vorging. Und dankbar darüber, dass er für Klarheit sorgte. Scham und Wut - das waren genau die Gefühle, die er versucht hatte zu vermeiden. Und nun spürte er, dass sie offensichtlich da sein durften und nicht verurteilt werden mussten.
Sie gingen auf das kreisrunde Gebäude zu, in dem der Pater seinen Sonnendienst hielt. Dahinter war die kleine Hütte, in der Balain wohnte. Der Priester blickte ihn an und sagte: „Jetzt trinken wir erst einmal einen Tee.“
5 6. Erkundungen
ie Straße zur Festung hinauf war steiler, als sie von unten ausgesehen hatte. Die Häuser hier weiter oben hatten keine Holzschilder, die quer in die Gassen hineinhingen, um den Verkauf von Ware anzubieten. Weiter unten gab es Läden, die Tücher, Schmiedewaren, duftende Brotlaibe, Gewürze aus Syrah, und frisches Fleisch anboten, hier, weiter oben, nahmen die Häuser mehr Raum ein und verfügten zuweilen sogar über Gärten. Cathyll hatte ihn aufgeklärt, dass, im Gegensatz zu anderen Städten, viele Edelleute ein Haus in der Stadt besaßen, welches sie im Winter zuweilen aufsuchten, um für königliche Feste in der Nähe zu sein.
Gareth gefiel diese kleine Stadt, die im Gegensatz zu Mal Tael ke ine Stadtmauern hatte, obwohl sie reich an Handelsware war, denn viele Händler kamen hier einerseits aus Norr, andererseits aus Phor und dem Süden hierher. Die Menschen hier waren rauer, direkter, was ihm nicht eben unsympathisch war. Gareth hatte die verschlüsselte Art, mit der die Menschen mit seinem Vater geredet hatten, nie gefallen. Der einzige, der zu seinem Vater direkt gewesen war, war Edmund. Gareth erinnerte sich daran, wie er 6 Jahre alt gewesen war und seine Mutter verschwunden war. Als keiner ihm sagen wollte, was denn mit ihr geschehen war und warum er sie nicht würde wiedersehen können, hatte Edmund ihn beiseite genommen und ihm erklärt, dass Suriah Baith, Königin von Sathorn, nun im Turm von Ac’laith lebte. Gareth hatte da nicht weiter fragen wollen, denn er wusste, dass sich in diesem Turm entweder Gefangene aufhielten oder Menschen, die man für immer wegsperren wollte. Er hatte Edmund immer überreden wollen, mit ihm dorthin zu gehen, aber Edmund hatte ihn immer sehr ernst angeschaut und ihm gesagt, dass er ihn niemals wieder darum bitten solle.
Gareth lachte verbittert in sich hinein, als er den Weg hinaufstieg. Man sollte meinen, Edmund sei der König und nicht er, Gareth. Anscheinend war es Edmunds Aufgabe, seinem König zu sagen, was er alles NICHT tun dürfe. Er wusste schon, was ihn erwartete, wenn Edmund herausfinden würde, dass er alleine in die Stadt g egangen war, in einfacher Tunika gekleidet zwar, damit ihn keiner erkenne, aber dennoch ohne einen Begleitschutz. „Das ist viel zu gefährlich, Gareth. Das ist kein Betragen für einen König.“
Aber er, Gareth Baith, Hochkönig v on Sathorn, hatte genug davon, dass andere ihm sagten, was er zu tun hatte. Er hatte alleine gehen
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