Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Wirken nicht weiß
sein Wort nicht wertschätzt,
seine Wut wehleiden nicht will.
Höre, König Olaf,
Dein Ruhm ist ein Rabe,
des rastlosen Rufens nimmer müde.“
Es war totenstill in der königlichen Halle. König Olafs misstrau ischer und feindseliger Ausdruck war einem betroffenen, traurigen, freundlichen gewichen. Er blickte lange still vor sich hin und keiner seiner Krieger wagte es das Wort zu erheben. Eyvind setzte sich. Noch einmal hob König Olaf eine Hand, so dass die Hörner gefüllt wurden. Dann sprach er in langsamen Ton:
„Danke, Eyvind, Skalde von Lokar. Heute hast Du bewiesen, dass Du wahrlich ein Meister Deines Faches bist. Kein anderer hätte wohl treffender und anrührender über mich singen können. Und auch Dir meinen Dank, Starkir.“ Damit blickte König Olaf herüber zu dem dümmlich stolz dreinblickenden Anführer. „Ich bin Dir mit Misstrauen begegnet und gebe offen zu, dass ich Dir Deiner Mühen Lohn für einen geringen Preis abluchsen wollte. Doch angesichts dieser Darbietung schiene es mir schäbig mit Dir zu feilschen. Lass uns Geschäftliches später besprechen und nun wahrlich wie Freunde feiern. Und auch Dir meine Entschuldigung, Neffe. Ich hatte geglaubt, die Männer aus dem Dreischafetal hätten Dich schon zu einem der ihren gemacht.“ Ketill grinste seinen Onkel nach dieser Bemerkung einfach nur an.
Und wieder hob der König seine Hand und es wurde warmer Met serviert. Jedoch kamen die Bediensteten nun auch mit warmen Braten und Suppe, so dass An’luin sich nach einer Woche auf See wie im Paradies vorkam. Gerade wollte er sich auf seinen Teller stürzen, als es noch einmal ruhig in der Halle wurde und er bemerkte, dass alle Gesichter sich zum Eingang drehten. Hinein kam Arla, Königin von Throndje. Würdevoll schwebte sie mit ebenfalls langem blonden Haar und weißem, mit filigranen Stickereien bedecktem Umhang. Balain flüsterte An’luin zu: „Sie muss wohl Wind davon bekommen haben, dass hier ein Loblied über sie gesungen wurde.“
Als sie langsam am Tisch der Gäste vorbeischritt sah An’luin was Balain meinte. Sie musste einst tatsächlich schön gewesen sein. Ihr weißes Gesicht war wohlgeformt, doch ihre Augen strahlten eine gewisse Kälte aus und ihr Mund wölbte sich verkrampft nach vorne. An’luin hatte Frauen gesehen, die mit Würde alt werden, er dachte an seine Mutter und spürte einen erneuten Anfall von Heimweh. Arla schien aber die Sorte von Frauen zu sein, die die Veränderung, die das Altern mit sich bringt, nicht akzeptieren wollen. Zu auffällig und leicht unpassend waren die protzigen Schmuck- und Kleidungsstücke, die sie trug. Sie setzte sich neben den Hochsitz des Königs, welcher ihr etwas zuraunte, was sie nicht glücklicher aussehen ließ. Sobald sie sich aber gesetzt hatte, wurde es in der Halle lebhaft. Die Norr verschlungen schmatzend ihr Essen und unterhielten sich.
An’luin blickte neben sich in Cathylls rotwangiges Gesicht, die ihm freundlich zulächelte und zu Balain, der seinerseits einen nicht n äher bestimmbaren Punkt im Raum anschaute. Zum ersten Mal seit 10 Tagen fühlte er sich glücklich.
19. Flucht durch die Gassen
en Gästen wurde die Ehre zuteil im Haus des K önigs zu übernachten. Früher, so erzählte Elling vom Bier beseelt, habe die Königsfamilie noch in der Halle gewohnt, zusammen mit dem Vieh, damit es im Winter nicht so kalt ist. Aber vor ein paar Generationen sei man von diesem alten Brauch abgekommen, da man ja als Staatsmann auch einen gewissen Ruf pflegen müsse.
In der Tat glich der Palast des Königs schon ziemlich dem ankilanischen Stil. Wie die Gruppe durch die Gänge schritt, bemerkte An‘luin, dass die Einrichtung recht einfach und karg war. Die vorhandenen Möbelstücke waren mit Norr-Ornamenten verziert, was ihn an die Kunst der Ankil erinnerte. Feine Linien trennten sich, verwoben sich ineinander, endeten in Tierköpfen. Als er ein Zimmer am Ende eines langen Korridors zugeteilt bekam, hielt ihn eine Hand auf seiner Schulter zurück. Ketill zwinkerte ihm zu und flüsterte: „Du hast noch eine Aufgabe.“
An’luin war sich nicht sicher, ob er stolz oder erbost sein sollte. Er schritt den vereisten Weg in die Stadt hinab, weil er von Starkir den Auftrag erhalten hatte, den Männern auf dem Boot Bescheid zu s agen, dass sie heute Nacht nicht zurückkehren würden. Eine undankbare Aufgabe, angesichts der Tatsache, dass er schon ein warmes Bett vor sich gesehen hatte, in das er sich hätte
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