Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
nun direkt im Osten. „Morgen haben wir das Schiff frei“, sinnierte Ketill. „Dann müssen wir noch einen Kanal durch das Eis durch den Fjord schlagen. Wenn wir Glück haben geht das auch innerhalb von zwei Tagen vonstatten.“
Zwei Tage, dachte An'luin, zwei Tage und dann würde er die Hei mreise antreten und diesen kalten Ort verlassen. Er konnte es kaum fassen. Gan'jan hatte seine Gebete doch erhört. Er sah vom anderen Ende des Landeplatzes Cathyll auf ihn und Ketill zukommen. Auch sie schien überaus glücklich über den Verlauf der Ereignisse zu sein. Sie strahlte die beiden jungen Männer an und kam als erstes auf Ketill zu, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Dieser wurde leicht rot. Obwohl jeder bereits davon wusste, dass Ketill und Cathyll ein Paar waren, war ihm die offene Zurschaustellung dieser Tatsache offensichtlich noch unangenehm. Zu seinem Erstaunen wandte sich Cathyll dann aber an An'luin. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Ich muss mit dir sprechen.“ An'luin hob die Schultern und erwiderte: „Gut.“ Sie sagte: „Heute Abend. Ich komme mit Balain zu Eyvind. Es geht um die Zukunft.“ Dann ging sie wieder ans andere Ende des Schiffes. An'luin blickte ihr nach und schüttelte mit dem Kopf. „Ich verstehe sie auch fast nie.“, kommentierte Ketill.
35. Ein erster Rat
atsächlich hatten sie nur zwei Tage gebraucht, um vom Rumpf der Spjöt, die tiefer im Wasser lag als die Wolfsang, mit langen Stäben das Eis vor ihnen zerteilend, den Fjord, der hinaus auf die offene See führte, zu durchqueren. Auf der Hochebene hatte währenddessen Gröd das Meer im Auge behalten, um sicherzug ehen, dass die Schiffe mit dem Doppelkreis im Segel nicht auftauchen würden. Als dann alle bis auf die alte Widma in den Booten saßen und die Reise über das Meer antraten, hatte bis auf An'luin niemand die Gestalt bemerkt, die an nördlichen Seite der Hochebene beobachtete, wie der alten Widma gewunken wurde, wie Gröd vom südlichen Ausläufer des Fjords aufgesammelt wurde, wie die großen Segel gesetzt wurden, das blau-weiß gestreifte der Wolfsang und das rote der Spjöt. Cathyll sah, wie An'luin einmal kurz den Arm hob, als ob er jemanden grüßen würde, den er kannte, was absurd war, da alle Bewohner des Dreischafetals sich an Bord der beiden Schiffe befanden.
Cathyll, die wie An'luin wieder auf der Wolfsang untergebracht worden war, wunderte sich, dass die Männer und Frauen des Dreischafetals keine äußeren Gefühlsregungen zeigten, als sie ihre Heimat verließen, um voraussichtlich nie mehr wiederzukehren. Nur ein kleiner Junge weinte, weil er sein Holzpferd nicht zurüc klassen wollte. Nun würde eine dreitägige Seefahrt auf alle warten und dann eine ungewisse Zukunft. Sie hatte den Leuten zwar versichert, dass sie alle in ihrem Herrschaftsgebiet siedeln durften, doch war sie sich selbst nicht so sicher wie ihr Volk es aufnehmen würde, wenn sie mit einem Haufen von 80 Norr zurückkehren würde, und diesen Land zusicherte, das sie ihren eigenen Leuten vorenthielt. Nicht, dass sie es sich nicht leisten konnte. Der königliche Wald der Marc war riesig. Aber das waren ja auch erst Probleme der dritten Generation. Zunächst musste sie unter dem Schutz der Männer aus dem Dreischafetal ihren Thron zurückerobern und sie hoffte, dass ihr Volk noch hinter ihr stehen würde. Wer weiß welche Lügengeschichten Rabec den Menschen von Mal Kallin aufgetischt hatte, um seine Herrschaft zu festigen. Sie hatte sich zunächst nicht mit diesem Thema beschäftigen wollen, doch dann hatte Balain darauf gedrungen sich gut auf die Rückkehr nach Mal Kallin vorzubereiten.
Vorrangig war aber, dass nicht das Doppelkreissegel auf einmal auftauchen würde, jetzt, wo sie außerhalb ihrer Wohnsitze am ve rwundbarsten waren. In einer oder zwei Stunden würde die größte Gefahr vorbei sein, dann würden Gunnar und Thorgnyr keine Möglichkeit mehr haben ihre Spur zu verfolgen.
Trotz ihres Heimwehs war sich Cath nicht sicher, ob sie wirklich zurück an den Ort wollte, von dem sie vor einem halben Jahr gefl ohen war. Zum einen schreckte sie die Erinnerung an das unsanfte Erwachen aus ihrem Traum, dass ihre Welt in Ordnung sei und sie immer weiter so sorglos weiter leben könnte und zum anderen hatte sie Angst vor der Verantwortung, die auf sie wartete, nicht mehr als unbedarfte Prinzessin den schönen Dingen des Lebens frönen zu können, sondern zu regieren, zu entscheiden, sogar über Leben und Tod.
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