Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
höher wurden, überquerte bemoste Steine, und betrat endlich eine in silbernes Licht getauchte Lichtung. Er war hier noch nie gewesen, hatte, obwohl er sich im Wald gut auskannte, diese Stelle noch nie entdeckt, die eingegrenzt von dichter Bewaldung und hohen, kantigen Steinen auch ohne Anleitung kaum zu finden war.
Dies war ein weiterer Initiationspunkt für den Mondkreiszyklus. Er würde die Nacht hier verbringen und nichts anderes tun, als auf den Mond zu starren, eine Übung, die er anfangs mit amüsiertem Int eresse, dann mit steigender Langeweile und schließlich mit kaum verdecktem Widerwillen vornahm. Sie war frustrierend für jemanden, der wie er lieber in Aktion trat, als passiv herumzusitzen, zumal ihm der Sinn dieser Übung völlig abging. Meliandra hatte sie für die wichtigste Übung der ersten Mondkammer erklärt und für unerlässlich, um weiter in der Hierarchie des Circulum Lunae aufzusteigen, Sab hatte ihm von wundersamen Erkenntnissen vorgeschwärmt, aber Gareth hielt die Erzählungen für übertrieben, zumindest glaubte er, dass er keinen Nutzen daraus ziehen könnte.
Die heutige Nacht war allerdings anders, denn er durfte den Mond heute alleine und außerhalb des Konvents sehen.
So breitete er seine Decke auf dem feuchten Waldboden mit einem Lächeln aus, legte ich nieder und blickte auf das silberne Gestirn, das ihm heute noch größer als sonst vorka m. Er starrte auf den Mond und merkte, dass, wie immer, wenn er diese Übung machte, ein Sturm von Gedanken auf ihn einströmte, Gedanken, die heute verstärkt wurden durch die fehlende Kontrolle der anderen: Geh, steh auf, schlaf ein, was soll das Ganze hier?
Doch er hatte einen Entschluss gefas st, dem er treu bleiben würde: Er würde seine Zeit im Konvent voll ausnutzen und alles lernen was er lernen konnte. Denn in der Tat hatte er festgestellt, dass vieles von dem, was er anfangs mit Skepsis und Widerwillen betrachtet hatte, ihm nicht mehr so sinnlos vorkam wie vorher. Er hatte das Gefühl mehr bei sich zu sein, was widersinnig schien, da er immer vorgegeben bekam was er tun musste. Aber in dieser Einschränkung seiner Freiheit bestand paradoxerweise eine andere Freiheit. So seltsam es klang – er musste nicht mehr auf seine persönlichen Wünsche Rücksicht nehmen.
So starrte er einfach weiter auf den Mond und ließ seine Gedanken Gedanken sein. Im Laufe der Zeit veränderte sich etwas. Nachdem er die übliche Frustrationsphase durchlebt hatte, bemerkte Gareth, dass vom Mond eine gewisse traurige Schönheit ausging. Instinktiv versuchte er sich der Schönheit zu verschließen, aber er erinnerte sich der Worte Cols, die ihm eingetrichtert hatten, dass er alles z ulassen sollte, was auf dem Din Sæs, so hieß der Ort, an dem er sich befand, passieren würde. Er versuchte die Schönheit, die er verspürt hatte zurückzuholen, was ihm jedoch nicht gelang. Ja natürlich, auch das hatte Col ihm mitgegeben: dass er sich weder verschließen, noch etwas wollen solle. Das war kompliziert, dachte Gareth. Kaum wollte er etwas richtig machen, war es schon wieder falsch. Also starrte er wieder einfach, versuchte dabei keine Erwartungen zu haben.
Es war eine mühselige Nacht für Gareth. Er versuchte sich immer wieder auf den Mond und nur den Mond zu konzentrieren, nur um sofort von irgendwelchen Gedanken abgelenkt zu werden. Gegen Morgen, als der Mond schon einmal das ganze Himmelszelt überquert hatte, hatte Gareth das Gefühl ein vollkommener Versager zu sein. Nicht nur seinem Vater gegenüber hatte er versagt, sondern auch hier, in dieser einfachen Übung. Und dann wurde ihm klar, dass er sich vielleicht all die Jahre über vergeblich gegen seinen Vater gewehrt hatte. Vielleicht WAR Gareth einfach unfähig in all den Bereichen, in denen sein Vater ihm Unfähigkeit vorgeworfen hatte. Vielleicht war er tatsächlich nur ein kleiner, nutzloser Junge, der zu nichts zu gebrauchen war.
Gareth kämpfte dagegen an, aber die Tränen liefen nun seine Wa ngen hinunter. Er war ein Versager, so einfach war das. Es war eine Tatsache. Während er dalag und weinte fühlte er fast so etwas wie Erleichterung. Er brauchte sich nun nicht mehr zu wehren, er brauchte niemandem mehr zu beweisen, dass er besser war, als die anderen ihn sahen. Er konnte einfach so sein wie er war. Und in diesem Wissen beschloss er bis zum Morgen zu bleiben – auch wenn er nichts erreichen würde. Er blickte auf den Mond, der durch seine Tränen nun noch mehr zu leuchten schien.
Das
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