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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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hinuntergerollt worden zu sein. Trotzdem hielt ich ein Tor, das ich nach einer Ecke von Rafi per Kopfball erzielt hatte, für den zweitwichtigsten Augenblick meines Lebens. (Der wichtigste war natürlich Rafis Geburt.) Damals war ich auf »die Kiste« zugestürmt und hatte den Ball mit der Stirn erwischt. Mir wurde kurz schwarz vor Augen, und als ich wieder klar sehen konnte, brandete Jubel auf - der Ball war zwischen den zwei Bäumen durchgesaust, Schauspieler zerrauften mir das Haar, und Rafi war auf meinen Rücken gekraxelt.
    Nach dem Spiel saßen Erwachsene und Kinder draußen vor dem Teehaus, aßen Chips und tranken heiße Schokolade. Als ich die öffentliche Toilette aufsuchte, stieß ich dort auf drei halbnackte Polen, die sich im Stehen wuschen. Einer balancierte auf einem Bein und ließ sich das andere, lang ausgestreckte von einem Kumpel mit Seife schrubben. Auf dem Boden türmten sich Kleider und Beutel. Hier im Viertel campierten viele Polen im Freien; nach drei Jahren dieser Tortur hatten sie ein Anrecht auf staatliche Unterstützung. Als ich die Toilette verließ, kamen gerade zwei Polizisten angerannt.
    Draußen waren derweil vier hübsche Mädchen aufgekreuzt - zwei von ihnen aus Rafis Schule -, die sich um die Jungen scharten. Sie trugen Stiefel, Miniröcke und viel Glitzerkram-Ballast, standen dicht beieinander und unterhielten sich über Handys. Für den Park waren sie eine Spur zu überkandidelt, aber eine von ihnen hatte kurz zuvor bei Josephine angerufen, um zu fragen, wo Rafi war. Die Mädchen aus seiner Schule standen auf ihn, und sie waren gekommen, um ihm beim Fußballspielen zuzuschauen.
    »Habt ihr das Tor gesehen, das ich geschossen habe?«, fragte er.
    Er sah sie nicht an, doch sein leises, amüsiertes Lächeln - das mich an meinen Vater erinnerte - verriet, dass er sich ihrer Blicke sehr wohl bewusst war. Während sie über sein Tor sprachen, schüttelte er den Kopf, als würden sie nur Quatsch reden.
    Er wirkte cool, sein gegeltes Haar sah gut aus, und Kleider und Schmuck wählte er sorgfältig bei H & M aus. Am letzten Wochenende waren wir beim Sommerschlussverkauf gewesen. Eigentlich hatte ich selbst Klamotten gesucht, war dann aber mit Tüten voller Sachen für Rafi heimgekehrt. Er sah in jeder Hinsicht besser aus als ich, hipper und gestylter, und hübscher war er sowieso. Das gehörte sich wohl auch so. Trotzdem empfand ich kurz Bitterkeit und Bedauern, denn manchmal wollte man einfach nur angehimmelt werden. Warum hatte ich immer weniger Selbstvertrauen besessen und war viel ängstlicher gewesen als er? Ich fühlte mich sogar versucht, ihn um all die Frauen zu beneiden, die er in seinem Leben noch vernaschen würde.
    Die Mädchen wollten gehen. Sie wirkten nervös, denn sie waren fest davon überzeugt, von einem zwischen den Bäumen verborgenen Mann angeglotzt zu werden. Sie verabredeten sich für später beim Einkaufszentrum mit Rafi, ihrem Lieblingsort, wo sie ihm beim Kauf neuer Turnschuhe mit Rat und Tat zur Seite stehen wollten.
    »Ich kann ziemlich cool sein«, sagte er auf dem Heimweg zu mir. »Außer dem Gürtel von D&G trage ich keine Designerklamotten. Das tue ich nur, wenn ich wirklich in der Laune dazu bin.«
    Ich klingelte bei Josephine. In diesem Haus hatte ich zwar gewohnt, aber ich hatte es nie sehr gemocht. Es erstreckte sich über drei Stockwerke, die jeweils zwei Zimmer hatten, und außerdem gab es einen Garten von recht anständigen Ausmaßen. Hinten stand der Schuppen, wo Rafi Gitarre und Drums spielte und mit seinen Freunden übernachtete. Beim Betrachten des Hauses fiel mir einer meiner Lieblingswitze ein, der folgendermaßen lautete: Warum heiraten? Such dir einfach eine Frau, die du verabscheust, und schenk ihr dein Haus.
    »Worüber kicherst du, Fetter-alter-nach-Luft-schnappender-Knacker?«, wollte Rafi wissen.
    »Kann ich dir nicht verraten. Habe ich heute gut gespielt?« »Du solltest mit den Behinderten kicken.« »Herzlichen Dank.«
    »Außerdem verlierst du Haare. Wenn du dich bückst, kann ich deinen Schädel sehen. Das ist total grottig und bringt Schande über die ganze Familie.«
    Beim Verlassen des Parks hatte er mich gefragt, wie lange wir wohl noch gemeinsam in einer Mannschaft spielen könnten. Die Frage überraschte mich, denn sie verriet ein Gefühl für Zukunft und Vergänglichkeit, das für Kinder in seinem Alter eher ungewöhnlich war. »Weißt du, ich bin jetzt dreizehn und spiele inzwischen viel ernsthafter«, sagte er zu mir. »Ich

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