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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Erdhöhle oder in einem kleinen Käfig. Er wurde geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert. Er begann, an Gott zu glauben; er dachte an Gras und Vögel. Er erlitt einen Herzinfarkt, tötete einen Syrer bei einem Streit um Essen (sein einziger Mord, wie sich herausstellte) und wurde schließlich auf Druck der deutschen Regierung freigelassen.
    Er kehrte als gebrochener Mann nach Deutschland zurück. Während seiner Rehabilitation hatte er mit verschiedenen Frauen angebändelt. Er sagte, seine einzige Gabe bestehe darin, seine Geschichte zu erzählen und Mitleid zu wecken. Er habe das meiste daraus gemacht.
    Wolf und ich hatten anderthalb Stunden miteinander gesprochen. »Wolf«, sagte ich und tippte auf meine Armbanduhr, »ich treffe mich gleich mit meinem Sohn.«
    »London ist die teuerste Stadt der Welt«, sagte er. »Beschwer dich bei der Regierung.«
    Er machte keine Anstalten zu gehen. Er war störrisch; er wollte bleiben; er sagte, er könne auf dem Fußboden pennen, er brauche nur eine Decke, im Auto sei es kalt, und er könne nirgendwo anders hin. Ich erwiderte, das sei unmöglich. Ich wollte auf keinen Fall eine Nacht mit ihm in der Wohnung verbringen, zumal ich nicht genau wusste, ob er am nächsten Tag auch wirklich verschwinden würde.
    Er musterte mich. Ich dachte unvermeidlich daran, dass uns die Gegenwart in die Vergangenheit zurückzieht, der alle Probleme entsprungen sind. Sie konfrontiert uns wieder mit den alten Schulden und verlangt, dass wir sie tilgen. Doch wer schuldet wem wie viel?
    »Okay, wenn du meinst«, sagte er und stand endlich auf. »Schön, dich wiedergesehen zu haben.«
    »Ganz meinerseits«, erwiderte ich beklommen.
    Er hatte fast die Tür erreicht, da packte er meinen Arm und bat mich um 50.000 £. Ich musste laut auflachen und sagte: »Wäre super, wenn ich eine solche Summe auf dem Konto hätte.« Dann fragte ich: »Warum bist du so scharf auf Geld?« Diese Frage schien ihn zu verwirren. »Nicht, dass ich dir irgendwie dumm kommen will.«
    Plötzlich wurde er wütend und quetschte meinen Arm, was schmerzhafter war, als ich je geglaubt hätte. Er sagte, wenn ich ihm nicht wenigstens eine halbwegs anständige Summe zahlen würde -10.000 £ wären angemessen -, wolle er dafür sorgen, dass die »richtigen Leute« Kenntnis von meinem Mord erhielten.
    Wie er betonte, sei die Summe keineswegs willkürlich. Er habe vor, ein baufälliges Haus zu kaufen, es eigenhändig zu renovieren und danach Zimmer zu vermieten. Wenn ich ihm eine kleine Kapitalspritze geben würde, wolle er auf weitere Forderungen verzichten, ja, mir sogar helfen. Gut möglich, dass Wolf etwas wirr dachte, aber er wusste, dass es die Immobilien waren, mit denen man Geld machen konnte.
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen und konnte nur sagen: »Ist doch lächerlich. Außerdem bekommst du für 50.000 £ kein Haus. Das reicht mit etwas Glück für die Eingangstür.«
    »Es soll nur eine Grundlage sein. Du weißt, dass ich arbeiten kann. Notfalls könnte ich ein Haus aus dem Boden stampfen. Ich bitte dich nur um ein bisschen Startkapital.«
    Ich stieß ihn weg. Ich hatte befürchtet, dass er noch einmal auf mich losgehen würde, doch er stand nur da und schaute mich an.
    »Ich habe jetzt keine Zeit mehr, um diese Sache weiter zu diskutieren«, sagte ich. »Und fass mich nie wieder an.«
    »Du wirst Zeit schinden müssen. Das ist wichtig.« In der Tür sagte er: »Warum hast du nicht nach Val gefragt?«
    »Wieso? Kommt er als Nächster zur Tür herein, um mir Geld abzuknöpfen?«
    »Willst du es wirklich wissen?« »Na, gut.«
    »Er hat sich das Leben genommen«, sagte er. »Tatsächlich?«
    »Als er im Gefängnis saß. Das habe ich von einer seiner Frauen erfahren.«
    »War er depressiv?«
    »Immer. Und der Mord hat es noch verschlimmert. Er hat ständig darüber gebrütet. Er war sensibler als wir, nicht ganz so stark. Er hat dir nicht die Schuld daran gegeben, obwohl er das hätte tun können. Es war ein Wendepunkt für ihn, der ihn in die Hölle befördert hat.«
    »Ich mochte ihn«, sagte ich. »Und viele Frauen mochten ihn auch.«
    »Sie hätten ihn nicht retten können.« Wolf starrte mich an. »Dieser Mord - ich habe das Gefühl, als hätte ich seitdem eine schwarze Seele. Du nicht auch?«
    Ich merkte, dass ich flüsterte, obwohl uns niemand hören konnte. »Es war ein Unfall. Wir wollten ihm nur Angst einjagen. Gut möglich, dass wir jung und dumm waren, aber wir waren auf Seiten der Engel.«
    »Ja, der Hell's

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