Das sag ich dir
und gedroht, sie »umzupusten«.
»Als hätte Amerika nicht schon genug Unheil auf der Welt angerichtet!«, sagte sie. »Er nimmt diese Rap-Texte ernst. Ich hasse diese aggressiven Gesten und das Gebrüll. Was haben diese Jungen nur mit den Gangstern? Natürlich muss er sich von der Mutter lösen. Aber warum glauben sie, dass man sich als Mann wie ein Mistkerl aufführen müsste?«
»Das sind Klischees. An all diesen Ketten und Posen ist nichts weiter dran als an einer bunten Pantomime.«
»Ja, aber das begreifen nicht alle Kinder. Ich habe beschlossen, seine CDs zu entsorgen. Das Zeug hat von jetzt an Hausverbot! Ist mir egal, dass du Zensur hasst.«
»Das ist längst zu spät«, erwiderte ich. »Aber es tut mir leid, dass er so mit dir geredet hat. Vielleicht belastet es ihn, dass du arbeiten willst. Er glaubt wahrscheinlich, dass du dann nicht mehr so viel Zeit für ihn hast.«
»O Gott«, sagte sie, indem sie aufstand und ihre Sachen zusammensuchte. »Kann sein. War ja klar, dass du mir ein noch mieseres Gefühl geben würdest. Wie habe ich nur zehn Jahre mit dir verplempern können?«
Jetzt, als ich dasaß und in die Abendzeitung schaute, wieselte Rafi ständig in die Küche und wieder heraus. »Freust du dich schon, Alterchen?«
»Ich kann es kaum erwarten.«
»Sieht auch klasse aus. Inzwischen kann ich so einiges kochen. Ein paar meiner Gerichte sind schon Legende.«
»Du kannst froh sein, eine Mutter zu haben, die dir das beibringt. Miriam und ich haben Brot und Schmalz und später Burger, Pommes frites und Kuchen gegessen.«
»Kommst du dir manchmal vor wie ein Idiot, weil du hier ausgezogen bist?«
»Ja, manchmal schon.«
»Dann zieh doch wieder ein. Liebst du Mum denn nicht?«
»Ich habe sie sehr gern. Sie hat sich phantastisch um dich gekümmert.«
»Das ist keine Liebe.«
»Dir wird das auch noch passieren«, sagte ich. »Heirat, Trennung, Kinder da und dort, das ganze Chaos. Niemand heiratet mit fünfundzwanzig und ist dann bis siebzig mit demselben Partner zusammen, außer man hat keinen Funken Phantasie. Mögest du viele Frauen haben, mei n Sohn. Und das ist ein Fluch!«
»Danke, du Vorbild und Volltrottel.«
Schließlich trug er das Omelette auf einem großen Teller herein wie eine Geburtstagstorte. Er breitete die Serviette über meinem Schoß aus und reichte mir Messer und Gabel. Er setzte sich nicht mit an den Tisch, sondern stand neben mir, den Ellbogen auf meine Schulter gestützt.
»Fang an, bevor es kalt wird.« Bei jedem Bissen, den ich aß, versorgte er mich mit guten Ratschlägen. »Jetzt ein bisschen Salat dazu, Dad.« »Öfter mal abwechseln. Hier ist ein Stück Brot.« »Magst du keinen Kürbis? Gemüse ist gesund.«
Das Omelett war mit geschmolzenem Käse und einer Mischung von gehackten Tomaten und Kürbis gefüllt. Rafi ließ mich nicht aus den Augen, bis ich den letzten Happen gegessen hatte, flitzte dann in die Küche und kam mit einer Schale Pistazieneiscreme wieder zum Vorschein. Ich konnte mich schon jetzt kaum noch rühren.
»Feist, wie?«
»Nicht nur feist, sondern auch nahrhaft«, sagte ich. »Hast du je etwas Besseres gegessen?« »Wie denn?«
»Das hier wirst du lieben«, sagte er und drückte mir den Löffel in die Hand. Er ging zu einem Regal, zog eine Flasche heraus und schenkte mir ein halbes Glas vom Wodka seiner Mutter ein. Als ihm der Geruch in die Nase stieg, sagte er: »Stinkt wie Benzin. Aber das hier ist dein Lieblingseis. Mum und ich mussten extra los, um es zu besorgen.«
Während ich meine Eiscreme löffelte und den Wodka leerte, setzte er sich und aß sein eigenes Omelette, auf das er so viel Ketchup quetschte, bis es ein roter Matsch war.
Nach dem Essen legte ich mich auf den Fußboden und schlief ein wenig, während Rafi, durch Kabel mit dem Fernseher verbunden, im Schneidersitz neben mir saß und in einem fort klickte wie eine Witwe mit ihrem Strickzeug. Einzelgänger brachten sich gegenseitig vor dem Hintergrund einer leeren römischen Stadtlandschaft um, die aussah wie von de Chirico gemalt.
Ich erwachte, als seine Mutter meine Schulter streichelte. »Hast du es genossen?«
Ich stand langsam auf. »Das war die beste Mahlzeit meines Lebens.«
Wir waren immer noch auf der Hut voreinander wie Kinder nach einem Zoff, und fragten uns, wer wieder mit dem Streit beginnen würde. Doch unsere Wut aufeinander ließ nach, und ich zögerte, sofort aufzubrechen.
Meine Lieblingsbeschäftigung hatte darin bestanden, ihr zuzuschauen, wie sie
Weitere Kostenlose Bücher