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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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gegangen?«
    »Ich muss heute Abend mit dir reden.«
    Er erwiderte, heute Abend sei er nicht in meiner Gegend, sondern in seinem Büro und Pub, The Cross Keys, in Acton, weil er Firmengeschäfte regeln müsse. Das war ein ziemlich weiter Fußmarsch für mich, aber ich brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Ich steckte den iPod in meine Hemdtasche und zog mir die Kapuze über den Kopf, damit kein Straßenräuber die weißen Kabel oder die verräterischen Kopfhörer sehen konnte.
    Zuerst musste ich allerdings zu Rafi. Der Junge hatte mir eine Überraschung versprochen.
    DREISSIG
    Als Rafi und ich vor ein paar Tagen im Park Fußball gespielt hatten, hatte er mich von oben bis unten gemustert und dann gesagt: »Mann, du siehst echt schlecht aus. Und zwar nicht, weil dein Haar so komisch wäre oder weil du noch grottiger angezogen wärst als sonst, sondern weil du so mager und einsam aussiehst. Das ist mir noch nie an dir aufgefallen. Du wirst doch nicht sterben, alter Mann, oder?«
    Er hatte beschlossen, mir etwas zu kochen. Wenn mich seine Großmütigkeit überraschte, dann deshalb, weil er langsam zu einem Teenager wurde. Er liebte Spiegel genau wie ich früher; seine Oberlippe war dunkel, und er würde sich bald rasieren. Hatte er sonst immer gern erzählt, ja sogar ohne Ende geplappert, so behielt er seine Worte jetzt mürrisch für sich. Wenn auch nicht alle, denn er konnte gemein sein, ja sogar grausam, und er legte es darauf an, mich zu verletzen, als wollte er einen Keil zwischen uns treiben. Ich vermisste ihn sehr, wie er früher gewesen war, als ich ihm vorlesen und ihn küssen durfte, als er noch zwischen uns geschlafen und dabei den meisten Platz im Bett eingenommen hatte. Ich vermisste die Zeit, als er mich gebraucht hatte.
    Ich kam am frühen Abend bei ihm vorbei, und er glühte, sein Gesicht strahlte, und er wirkte hellauf begeistert. Irgendetwas roch angebrannt. »Hallo, alter Mann, noch am Leben?«, sagte er, als er mich ins Haus führte. Er trug ein Hawaiihemd unter einer Schürze mit der Aufschrift »Die Mutter«. »Du darfst an meinem Haar riechen, wenn du magst.«
    »Danke sehr.«
    »Aber nicht durcheinanderbringen. Ich habe es extra gestylt.« Ich drückte meine Nase in die duftenden Stacheln. »Was ist das?« »Bananenshampoo.«
    »Mannomann!«
    »Ich bin nicht unbedingt schwul, nur weil ich mit der Mode gehe.« »Aber du magst Rosa.«
    »Nicht so sehr wie früher. Ist das auch typisch für Schwule?« »Ja.«
    »Verarsch mich nicht, Dad. Du weißt doch, dass ich ein Mädchen geküsst habe.«
    »Welches Mädchen?« »Das wirst du nie erfahren.«
    Josephine hatte Rafi beim Einkaufen und Schnippeln geholfen und war dann im Park Joggen gegangen. Auf einer buntgemusterten Tischdecke lag ein Gedeck für eine Person, dazu das beste und schwerste Besteck.
    Ich entdeckte einen zusammengefalteten Zettel, darauf das Wort Menü in flotter Handschrift. Ich las: »Omelette du jour (Omelette des Tages). Frische Tomaten und Zucchini. Eier erster Sahne mit Butter (frisch). Frische Avocado mit Kartoffeln. Schalotten (frisch) und frische, gute, qualitativ hochwertige Öle.« Unter »Pudding« hatte er »Pistazieneis« notiert; unter »Getränke« waren »Wasser, Cider« aufgeführt. Unten hatte er unterschrieben oder besser: sein Autogramm hingesetzt.
    Eigentlich sollte ich ein ernstes Wörtchen mit ihm reden, aber ich fragte mich, ob dies der richtige Zeitpunkt dafür war. Vor kurzem hatte ich mich mit Josephine in einem nahen Deli mit langen Tischen getroffen, auf denen sich Zeitungen türmten, ein Laden voller Mütter, die gerade ihre Kinder in der Schule abgesetzt hatten. Danach hatte sie ein Bewerbungsgespräch für einen Job im Psychologie-Seminar eines Colleges gehabt.
    Ich war früh dran, weil ich Zeitung lesen und den Gesprächen der Frauen lauschen wollte. Als ich aufschaute und Josephine auf mich zukommen sah, freute ich mich. Ihre Schönheit und ihre Verletzlichkeit fand ich immer noch attraktiv, und dann, ja dann war da noch die Liebe in ihren Augen.
    Mir fiel auf, dass sie trotz der Wärme einen meiner Schals trug. Sie borgte sich oft meine Kleider, vor allem die teuren - die Regenmäntel mochte sie besonders gern -, obwohl sie größer und dünner war als ich.
    Sie hatte um ein Gespräch gebeten, weil sie nicht mehr mit Rafi zurechtkam, der sie mehrmals als »Scheißnutte« und »Schlampe« bezeichnet hatte. Wenn sie von ihm verlangt hatte, pünktlich zu Bett zu gehen, hatte er mit den Fingern auf sie gezeigt

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