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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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lebt es durch den Körper, durch seine Taten und Entscheidungen aus ... sogar durch die Berufswahl. Wie mein Freund Henry so richtig sagt, hätten wir eigentlich alle mehr Worte und weniger Taten nötig.«
    Sie wirkte entsetzt. Doch zum Abschied reichte mir die Göttin eine Plastiktüte. »Mach sie auf«, sagte sie.
    Die Tüte enthielt eine türkisfarbene, mit blauen und silbernen Sternen bestickte Larve mit goldenen Augenhöhlen und blauen und purpurroten Federn.
    »Sie ist wunderschön«, sagte ich.
    »Ja. Viel Glück!« Sie gab mir einen Kuss auf die Nase.
    Damit hatte ich meine Kluft. Am vereinbarten Abend stopfte ich sie in eine Tasche und begab mich zu Henry. Miriam, die sich zu Hause umzog, würde von Bushy gebracht werden, der uns dann alle zur Karamell-Suhle fahren wollte.
    Ich brauchte zehn Minuten, um mich fertig zu machen, und kämpfte weitere zwei Minuten verzweifelt mit meinem Haar. Alles, was uns Lust bereitete, dachte ich, war entweder ungesund, verboten oder unmoralisch - ob der Abend genug von alledem bieten würde?
    Henry, der sich den Intimbereich rasiert hatte, stampfte zur Musik von Don Giovanni angetrunken vor einem Spiegel herum und warf mit Klamotten um sich.
    Ich saß froh und zufrieden auf seinem Stuhl, trank und rauchte einen der Joints, die Miriam ihm gedreht hatte. Doch der Joint machte mich müde, und daher ging ich ins Bad, um mich mit ein bisschen Speed für den Abend aufzupeppen. Ich war mir meiner Kleidung bald nicht mehr bewusst, aber Henry musste jedes Mal kichern, wenn er mich sah.
    »Wenn dich einer deiner Patienten so sehen würde«, sagte er. »Aber du hast dir das Zeug nicht allein besorgt - dazu siehst du zu gut aus. Wer hat dir geholfen?«
    »Eine Freundin.«
    Er starrte mich an. »Welche Freundin? Wie kommt es, dass ich dir alles erzähle und du mir alles verschweigst?«
    Vielleicht lag noch ein langer Abend vor uns, doch bis Bushy eintraf, konnten Henry und ich wenigstens noch ein Gespräch führen. Ich fand es immer vergnüglich, wenn er über seine Gelüste philosophierte.
    »Der Gedanke der Orgie ...«, sagte ich zu ihm.
    »Ja? Was ist damit? Hey - meinst du, ich sollte Lippenstift auflegen?«
    »Nur ganz zart.« Ich fuhr fort: »Ist das nicht der Traum von der Verschmelzung? Davon, dass es zwischen den Menschen keine Unterschiede mehr gibt? Niemand wird ausgegrenzt. In sexueller Hinsicht ist der Gedanke totalitär. Eine Orgie sorgt ja nicht dafür, dass man seine Individualität findet, sondern dass man sie verliert, oder?«
    »Ich sage dir was: Du kommst dir in diesen Klamotten vielleicht vor wie ein Idiot, aber wen juckt das schon? Dies ist eine radikale und wichtige Form von Freiheit.«
    »Soll das etwa die Befreiung in Zeiten strenger Kontrolle sein?«
    »Du machst dich darüber lustig, wie ich merke. Aber dieser ganze Scheiß über den Konflikt zwischen Zivilisationen, dem Islam und dem
    Westen ist doch nur eine Variante des Konflikts zwischen Puritanern und Liberalen, zwischen jenen, die die Phantasie hassen, und jenen, die sie lieben. Das ist der älteste Konflikt überhaupt - der zwischen Freiheit und Unterdrückung ...« Er stand vor mir. »Wie sehe ich aus?«
    »Ich fange lieber gar nicht erst an, dich zu beschreiben.«
    »Wie wäre es mit ein paar netten Worten, mein Freund?«
    »Ich kann nur sagen, dass Haare im Gesicht und Make-up nicht zusammenpassen.«
    »Ab heute schon.« Er fuhr fort: »Mir gefällt es, dass London eine der größten muslimischen Städte ist. Das ist der Preis für den Kolonialismus und sein einziger Vorzug. Gleichzeitig wimmelt London von Menschen, die ihren Kopf bedecken - entweder mit Kapuzen wie dein Sohn oder mit Tüchern wie muslimische Frauen. Ich hasse das, wie ich gestehen muss, und glotze diese Frauen sogar an, was ihr Gefühl, belästigt zu werden, zweifellos noch steigert.«
    »Das zeigt doch nur, dass unser Körper uns gleichzeitig fasziniert und verstört«, sagte ich. »Bedecken, enthüllen - und so weiter. Wir machen es nie richtig mit diesem Körper, und wir werden nie damit fertig. Tätowierungen, Gewicht, Kleider ...«
    »Weißt du, warum ich diese Oper höre? Ich versuche, etwas Subversives und Schlüpfriges darin zu entdecken, irgendein Wort, dass unsere Befindlichkeit anspricht. Möchtest du ein Viagra?«
    »Ja, gern. Danke.« Er gab mir die blaue Pille, und ich spülte sie mit einem Schluck Wodka hinunter. »Willst du den Don Giovanni immer noch auf die Bühne bringen?«
    »Ist mir zu puritanisch. Am Ende fährt

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