Das sag ich dir
das sie hochhielt.
»Lass los! Nur ein Foto für die Küchenwand!« »Nein! Auf keinen Fall!«
»Mädels, Mädels!«, rief Henry beim Einsteigen. »Hebt euch die Aufregung für später auf.«
SECHSUNDDREISSIG
In Vauxhall, nicht weit vom Fluss, hielten wir vor einer Reihe von Eisenbahnbögen, die als Autowerkstätten genutzt wurden. Eine der Türen war schwarz angemalt, davor hatten sich ein paar Leute versammelt. Nachdem wir uns einen Weg durch drei dicke Vorhänge gebahnt hatten, wurden wir drinnen von einem Paar mittleren Alters begrüßt, das Bushy noch aus der Zeit kannte, als er in einem nahe gelegenen Lagerhaus gearbeitet hatte.
Wir halfen Bushy, seine Ausrüstung auszupacken und in die halbdunkle Suhle zu schleppen. Henry fand eine Möglichkeit, Bushy hinten im Laden auf einer leicht erhöhten Bühne zu platzieren. Miriam versuchte, sein verschwitztes Gesicht zu pudern, denn Bushy schämte sich für seine Nase und wollte, dass sie im Licht nicht zu deutlich zu sehen war. Er war nervös und nahm gar nicht wahr, dass alle ringsumher ziemlich abgefahrene Klamotten trugen, ja, er merkte nicht einmal, wie man begann, sich zu küssen und zu streicheln.
Allmählich füllte sich der Laden. Bushy setzte sich auf seinen Hocker, stimmte die Gitarre und begann, einen ruhigen Blues zu spielen. Um ihm Mut zu machen, pfiffen und johlten Henry und Miriam genau wie wenn sie Trash-TV sahen. »Alles, was ich brauche, ist meine Gitarre, einen Verstärker, einen Joint und meinen Doktor«, sagte Bushy und zeigte auf mich.
Ich setzte meine Maske auf, ging durch die vielen Flure und Zimmer der Suhle, staunte über die Leute und fragte mich, wie ihr Leben aussehen mochte.
Als ich um eine Ecke bog, ging sie an mir vorbei. Meine Frau wirkte sehr groß in den High Heels, die ich ihr vor Jahren im festen Glauben an unsere Liebe gekauft hatte. Sie hatte lange Beine und sah sehr gut aus in ihren Kleidern. Sie hier zu sehen überraschte mich zwar, doch ich war nicht unfroh. Wenn wir uns irgendwo außer Haus trafen, stellten wir immer wieder fest, dass wir uns gut verstanden. Zu Hause sprachen wir den ganzen Tag kein Wort miteinander, aber abends auf einer Party ignorierten wir alle anderen und unterhielten uns wie Freunde, die sich ein ganzes Jahr nicht gesehen hatten. An diesem Abend schien sie jedoch in Eile zu sein, und da sie allein unterwegs war und offenbar nach irgendetwas oder irgendjemandem suchte, mochte ich ihr nicht folgen.
Ich konnte hören, dass Bushy inzwischen ernsthaft spielte, und ich wollte ihm zuschauen. Er wippte im Rhythmus mit dem Fuß, seine Muskeln zuckten, und seine Stimme klang wie Dirty Metal und Captain Beefhart.
Er beherrschte fast alle Stilrichtungen, und seine Technik war famos, doch er brachte kein Stück zu Ende, weil er wie eine psychotische Jukebox alles auf einmal spielen wollte. Er sprang zwischen komplizierten Jazzakkorden, Bluesfetzen und populären Melodien hin und her und sprach oder brabbelte dabei. Er hatte sich mit den Bluesmusikern beschäftigt und wusste alle Daten auswendig, sagte, dieser Song sei im März 1932 geschrieben worden oder wann auch immer. Wenn er merkte, dass man interessiert war, erzählte er mehr: Hast du gewusst, dass John Lee Hooker ein Zeuge Jehovas war? Dann ahmte er Hooker nach - parodierte ihn regelrecht, samt Stimme und allem -, wie dieser mit seiner Bibel, einer Ausgabe des Wachtturm und einer Melodie an die Tür klopfte.
Bushy war mitreißend und hielt die Leute vom Sex ab. Konnte es ein schöneres Kompliment für einen Künstler geben? Henry stand stolz da, an eine Säule gelehnt. Als ein Mann auf ihn zukam und fragte, ob er Bushys Manager sei, bejahte er dies. Der Mann gab Henry seine Karte, schrieb sich Henrys Nummer auf und versprach, sich zu melden. »Bushy wird ab jetzt immer Arbeit haben«, sagte Henry zu mir. »Ich wünschte, ich wäre früher darauf gekommen, mein Geld als Vermittler von Talenten zu verdienen.«
Später stieß ich hinter einem pulsierenden Berg, der aus bunt angemalten Schnecken zu bestehen schien, auf einen Schirm mit Schlitzen und Löchern darin und einem Stuhl davor. Ich spähte gerade hindurch, als sie von zwei Männern in den Raum dahinter geführt wurde. Offenbar war sie wirklich fest entschlossen, den Gral der Lust und das Paradigma luxuriöser Hingabe zu suchen.
Ich setzte mich und sah zu, wie sie sich hinlegte, das Gesicht zu mir gewandt. Ich war so verdattert - ich hatte das Gefühl, sie könnte mich sehen, und meine Ohren
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