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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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verrückte und idiotische Sache durchgezogen habe.«
    »Fängst du jetzt an zu heulen? Küsst du mir die Füße und flehst um Vergebung? Durch das, was du getan hast, habe ich einen sterbenden Mann gesehen - direkt zu meinen Füßen. Wenn man uns erwischt hätte, wäre ich für lange Zeit im Knast gelandet.« Er fuhr fort: »Nun behauptest du, die Sache zu bereuen. Wenn du die Nacht damals rückgängig machen könntest, würdest du es tun. Aber eines hast du nie gesagt. Eines will ich von dir hören.«
    »Und was?«
    »Dass du dich geirrt hast und eigentlich bestraft werden müsstest«, sagte er. »Du hast geglaubt, es wäre eine edle Tat, das Mädchen zu retten. Aber du hättest zur Polizei gehen sollen. Du hättest mehr mir ihr reden müssen. Ich weiß auch nicht, was du hättest tun sollen. Du müsstest doch eigentlich wissen, wie man sich in solchen Situationen verhält.«
    Er starrte mich mit wildem Blick an. Ich erwiderte: »Ich habe nicht richtig zugehört. Ich habe Ajita missverstanden. Ich habe zu überstürzt gehandelt und ihr damit die Möglichkeit genommen, selbst etwas zu unternehmen. Aber was können wir jetzt tun?«
    »Folgendes«, sagte er. »Wir könnten uns beide bei der Familie entschuldigen. Bei dem Mädchen. Damit sie weiß, was passiert ist, und damit sie einen - wie heißt das blöde Wort doch gleich? - Schlussstrich ziehen kann, ja. Denk darüber nach.«
    »Ich weiß nicht genau, ob eine Entschuldigung mehr Gutes oder mehr Schlechtes bewirkt«, erwiderte ich.
    »Aber ich weiß es«, sagte er. »Überleg es dir und komm dann wieder her. Sonst nehme ich die Sache vielleicht allein in die Hand -stellvertretend für dich.« Er schwieg kurz. »Irgendein Kommentar?«
    »Ja«, sagte ich. »Im Gegensatz zu ein paar berühmten und unentschlossenen Leuten, die ich nennen könnte, habe ich gehandelt und den Mann getötet. Du wirst immer nur ein Mitläufer sein, Wolf.
    Jammerschade, dass du nie etwas so Ehrenhaftes oder Mutiges getan hast wie ich. Unschuldig kann jeder Idiot sein. In dieser Hinsicht habe ich dir einiges voraus, Mann, und ich werde es dir immer voraushaben. Das solltest du achten, verdammt!« »Du bist doch verrückt.«
    Ich stand auf; er stand auf. Ich ging nach unten. Er folgte mir. Wolf kehrte am anderen Ende der Bar an seine Arbeit zurück, und ich stellte mich neben Bushy, der ein paar Einheimischen verschiedene, in seinem Mantel versteckte Produkte reichte. Wolf hatte die Musik aufgedreht, und ich schaute zu, wie die nackten Mädchen die Beine für die treuen Stammgäste spreizten und schlossen. Hinter der Bühne blinkten die bunten Glühlampen, die Wolf installiert hatte. Ich bestellte einen doppelten Wodka, den ich hastig hinunterstürzte. Ich bestellte noch einen zweiten.
    Sobald Bushy allein war, fragte ich: »Gibt es Neuigkeiten von diesem Ingwer?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Lisa ist eine sozialistische Sozialarbeiterin, die jede Menge Leute aufsucht. Ich würde mal vermuten, dass sie den Ingwer in irgendeiner fremden Wohnung deponiert hat. Was soll ich denn tun? Alles danach umkrempeln?«
    »Ja, warum solltest du das tun?«
    »Weil er mir leidtut, der Gute, mit diesem durchgeknallten Gör.«
    »Was machen die Träume?«, fragte ich.
    »Dr. Seelenbalsam, mein Freund, ich habe deinen guten Rat beherzigt. Ich kann demnächst auftreten. Ich habe bei Miriam vor den Kindern geübt. Rafi, dein Junge, hat neulich schon gesagt, ich sei voll krass und cool. Henry meint, ich sei gut genug für die Suhle. Miriam hat es dir bestimmt erzählt - nächste Woche geht es an.«
    »Nein, hat sie nicht. Aber jetzt weiß ich ja Bescheid.«
    »Schon überlegt, was du anziehst?« Ich zuckte mit den Schultern. Ein weiterer Kunde kam herbei, und Bushy warf Wolf einen Blick zu. Dieser nickte bereitwillig. Bushy sagte: »Wolfie ist gar kein so übler Bursche. Er ist genau wie wir, hat immer viel um die Ohren. Er lässt mich verkaufen, was ich will, vorausgese tzt, er bekommt seinen Anteil.«
    »Ich gehe wohl besser«, sagte ich.
    »Wir sehen uns in der Suhle«, sagte Bushy. »Ich nehme dich mit. Behalt die Nerven.«
    Der lange Fußmarsch nach Hause überforderte mich, und daher machte ich einen Abstecher zur Bush Hall, einem kleinen Tanzsaal neben der Moschee in der Uxbridge Road, wo Rafi als Kind an einem Krippenspiel teilgenommen hatte. Ich wollte das Ende von M. Wards Auftritt mitbekommen, ein schwermütiger Sänger und Songwriter, der mir von Henrys Sohn empfohlen worden war. Seine

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