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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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es ihnen gefiel, sich auszuleben und ihre Konflikte zu genießen - auch wenn dies noch mehr Leid bedeutete -, ohne dabei selbstzerstörerisch zu sein. Das begriff ich recht früh, als er Pascal zitierte: »Der Mensch ist so grundlegend wahnsinnig, dass es lediglich eine andere Form von Wahnsinn wäre, nicht wahnsinnig zu sein.«
    Wie es sich gehörte, verliebte ich mich in ihn - vielleicht schon, bevor ich ihm begegnete - und gab mich Phantasien über sein Privatleben hin. Ich versuchte, ihn zu verführen, bat ihn, mich auf der Couch zu ficken, obwohl ich im Grunde wusste, dass ich nicht scharf darauf war. Ich brachte ihm kleine Geschenke mit, Kaffee, Stifte, Postkarten, Romane.
    Was die wichtigen Dinge betraf - Zuhören und Interpretation -, so war er immer voll da, und das im Handumdrehen. Er war keiner jener Analytiker, die einen durch ihre Stille in Angst und Schrecken versetzen, keine Sphinx, deren Bedeutung im Schweigen besteht. Einmal wollte er wissen, ob er für meinen Geschmack zu viel rede, doch ich verneinte; ich mochte den Austausch. Er sagte, das Schweigen sei eine mächtige Waffe, mit der man jedoch das Szenario von abweisendem Elternteil und »verzweifeltem Kind« heraufbeschwören könne. Wenn er also etwas zu sagen hatte, sprach er dies aus. Diskussionen über Freuds Theorien wurden stets als Widerstand gewertet, das wusste ich. Aber ich musste Widerstand leisten, denn die Theorie begann, mich zu faszinieren.
    Ich hatte das Gefühl, dass mein Verstehen mit jedem Besuch bei ihm wuchs. Wenn ich danach auf die Straße trat, stellte ich mir schon neue Fragen. Gerüchten zufolge hatte Tahir Affären mit seinen Patienten gehabt; offenbar hatte er während der Behandlung mit ihnen telefoniert und sogar Opern mit ihnen besucht. In meinem Fall war er allerdings ganz auf die Arbeit konzentriert. Gelegentlich fragte ich ihn, was er abends vorhabe, und dann erzählte er mir von seinen Freundschaften mit Malern, Tänzerinnen oder Dichtern. Er wusste, dass ich mich mit ihm identifizierte und auch gern ein solches Leben geführt hätte.
    Wenn ich mir nach den Sitzungen seine Ausstellungskataloge oder Lyrikbände anschaute, beobachtete er mich. »Nehmen Sie das mit«, sagte er dann. »Nehmen Sie, was Sie brauchen.« Er wusste, dass ich meinen Horizont erweitern wollte, denn meine intellektuelle Neugier war erwacht. Wenn ich sagte, dass ich Freud und die Analyse verstehen wolle, ermutigte er mich, Proust, Marx, Emerson, Keats, Dostojewski, Whitman oder Blake zu lesen.
    In fast allen Dramen Shakespeares gebe es mindestens eine wahnsinnige Person, sagte er, und in ihrem Wahnsinn würde diese nicht nur verraten, wer sie sei, sondern auch grundlegende Wahrheiten aussprechen. Er sagte, die Analyse sei ein Bestandteil der literarischen Kultur, aber die Literatur sei viel größer als die Psychoanalyse und verschlinge diese wie ein Wal einen Hering. Jeder große Künstler habe das Unbewusste gekannt, das Freud nicht entdeckt, sondern nur kartiert habe.
    Er sagte auch: Mein Beruf ist im engeren Sinn keine Wissenschaft und sollte auch nicht für eine solche gehalten werden. Freud habe natürlich unmöglich sagen können, dass er die Leute durch Dichtung heile. Aber wenn man die wichtigen Vertreter genauer betrachte, stelle man fest, wie sehr sie mit ihren spekulativen Gedankensprüngen und Metaphern Dichtern glichen: Ob Jung, Ferenczi, Klein, Balint oder Lacan - ein jeder von ihnen singe von seiner eigenen Entwicklungsgeschichte, Leidenschaft und Ästhetik. Ihre unterschiedlichen Sichtweisen würden sich nicht gegenseitig aufheben, sondern nebeneinander existieren.
    Zu Beginn der Analyse gab es natürlich eine Hürde, die wir beide nehmen, etwas Düsteres, worüber wir reden mussten. Aber ich wollte ihn erst ein wenig besser kennenlernen, weil ich wissen musste, ob ich ihm vertrauen konnte, bevor ich ihm das anvertraute, was ich meine »Sohn-der-Nacht«-Mordgeschichte nannte.
    Wie ich feststellte, bestand seine große Stärke darin, mein tiefstes Inneres anzusprechen. Er schien mich zu verstehen. Er erreichte jenen Teil von mir, der ein Baby geblieben war. Ich hatte das Gefühl, dass ein liebevoller Vater mit mir redete, der alle meine Ängste und Phantasien erkannte und sich vollständig meinem Wohlergehen verschrieben hatte. Wie konnte er so viel über mich wissen? Woher kam dieses Wissen? Ich wollte wie er sein und eine ebenso nachhaltige Wirkung auf einen anderen Menschen haben. Das will ich noch heute.
    Ich habe mich

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