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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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immer als hastig empfunden, als angespannt, ungeduldig, in Eile, leicht in Sorge zu versetzen. In seiner Gegenwart konnte ich mich entspannen. In was genau war ich verliebt? In die Qualität des Schweigens zwischen uns. Manchmal kann die Angst lautlos sein, dachte ich, während wir an den elenden, feuchten Londoner Morgen, wenn die Leute zur Arbeit rasten, im Schein einer kleinen Lampe alles durchkauten - Mutter, Vater, Schwester, Ajita, Mustaq, Wolf, Valentin -, er zu mir hingeneigt. Doch es war ein gutes und zärtliches Schweigen - oft minutenlang -, das den Frieden zwischen Menschen förderte, nicht die Art Schweigen, bei der man vor Angst wahnsinnig wurde.
    »Gab es viel Streit in Ihrem Elternhaus?«, fragte er. »Ja, sicher«, antwortete ich. Wenn ich mich nach ihm umdrehte, wirkte er jedes Mal amüsiert; nicht, dass menschliches Leid einen Unterhaltungswert für ihn gehabt hätte, nicht einmal selbst verursachtes, worum es sich, wie ihm bewusst war, in den meisten Fällen handelte. Das Leid nahm kein Ende, und er bewies mir, dass er dies wusste. »Krankheit ist ein Mangel an Inspiration«, sagte er stets.
    Bevor ich mit der Analyse begann, hatte ich einen Traum, der mich noch tagelang verstörte. Er war wie ein surrealistisches Gemälde. Ich stand allein in einem leeren Raum, die Arme an den Seiten und mit Scharen von Wespen im Haar, die einen Höllenlärm machten. Ich stand zwar dicht bei einer Tür, aber ein Mann mit Wespen auf dem Kopf kann sich weder rühren noch seiner emotionalen Geographie große Aufmerksamkeit schenken.
    Bei den »Wespen« handelte es sich natürlich unter anderem um weiße angelsächsische Protestanten, und sobald wir begonnen hatten, das Bild zu erörtern, boten sich viele Deutungsmöglichkeiten. Die Analyse »heilte« den Geist also nicht von seinen Furien und Finsternissen, sondern brachte diese Affekte mit ins Spiel und formte sie zu konkreten Fragen, die eine Auseinandersetzung lohnten. Sie waren plötzlich ein Teil meines Lebens und nichts mehr, von dem ich hoffte, dass es einfach verschwinden würde. Für Tahir waren die Wespen eine Metapher, und wenn ich einen Sinn darin finden konnte, würde ich mir selbst und damit auch der Welt näherkommen. Die Wespen warfen nützliche Fragen auf, die man ergründen musste. Trotz des ungeheuren Leids der Depression sprach Tahir von dem Wert und der Chance der Krankheit.
    Wie ich feststellte, weckte die Analyse meine Neugier und sorgte für Lebendigkeit. Keine Sitzung, die mich nicht mit Stoff zum Nachdenken versorgt hätte. Ich setzte mich danach in ein Café und füllte Seiten mit Notizen, assoziierte weiter frei herum und arbeitete an meinen Träumen.
    Ich kannte schon Die Traumdeutung und Das Unbehagen in der Kultur , aber nun las ich darüber, wie Freud begonnen hatte, den Worten und Geschichten der seelisch Leidenden zu lauschen, etwas, das man noch nie zuvor getan hatte. Und als er sich diese Lebensberichte genauer anschaute, stellte er fest, dass die Spur stets zu den Freuden zurückführte.
    Wie für jeden anderen Dichter waren die Wörter - das, was Patient und Analytiker sagten - auch für Freud eine Art von Magie; sie führten eine Veränderung herbei. Die Sache hatte mich gepackt, und glücklicherweise hatte ich Zugang zu allen Büchern, die ich brauchte. Bestellte ein Leser einen Band, über dem ich gerade brütete, so konnte ich immer behaupten, er wäre verschwunden. Ich saß in einem entlegenen Tunnel der Bibliothek auf dem Fußboden und las; danach versteckte ich das Buch, bis ich wiederkam. Ich las noch einmal Freuds Buch über die Traumdeutung, sozusagen als Anleitung für die Nächte, und das Zubettgehen wurde zum wertvollsten Erlebnis des ganzen Tages.
    Ich fand es großartig, dass zwei intelligente Menschen viele Stunden, Tage, Wochen - vielleicht sogar Jahre - gemeinsam die Details von Erfahrungen nach bedeutsamen Rückständen durchsiebten und im hintersten Winkel eines Traums nach einer verborgenen Wahrheit suchten. Diese Konzentration und diese Intensität - die Analyse kam für mich keinen Moment zu früh. Was mich in Bann schlug, war die Tiefe des Alltäglichen, all das, was sich in der banalsten Geste oder Phrase verbarg. Darin verband sich eine Lebensgeschichte mit der Welt. Auf diese Weise konnte ich das Profane und all jene Geschichten, die ich am liebsten hörte, wie ein Autor mit Bedeutung erfüllen und interessant machen.
    Mir schien, als hätten wir beide viel geredet, an einer tiefen Ausgrabung

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