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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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junge Frau. Damals hatte sie immer woanders sein wollen und war stets auf der Jagd nach dem Vergnügen gewesen. Ich merkte trotzdem, dass sie mich beäugte, als ich mir in ihrer Küche Nudeln kochte.
    »Und?«, fragte ich. »War es schön mit Henry? Seid ihr noch lange bei mir gewesen?«
    »Das ist der Punkt.« Sie hatte eine todernste, wenn nicht sogar tragische Miene aufgesetzt, und das beunruhigte mich. Doch es war zu spät. »Hast du das geplant?«, fragte sie.
    »Henry hatte mich gebeten, ihm Dope zu besorgen. Mehr habe ich nicht getan.«
    »Nicht reinkommen!«, schrie sie quer durch das Haus, bevor sie die Küchentür schloss und einen Stuhl unter die Klinke rammte - ein seltener Ruf nach Privatsphäre. »Was passiert ist? Henry wollte das Dope, schön und gut, aber er weiß ja nicht mal, wie man einen Joint dreht. Also habe ich es ihm gezeigt, und dabei hat er gesagt: >Das ist das Nützlichste, was ich seit Jahren gelernt habe.< Du weißt ja, wie er spricht - immer ein bisschen selbstverliebt und wie bei einer Rede an die Nation, und außerdem setzt er voraus, dass man ihm zuhört. Sogar ich musste die Klappe halten. Das ist wahre Autorität. Wenn ich nur daran denke, werde ich rot.«
    »Was hat er dir erzählt?«
    »Ich habe ihm ins Gesicht gesagt, ich sei arm. Ich habe ihm gesagt, ich hätte nie Geld gehabt, aber nicht deshalb, weil ich die Hände in den Schoß gelegt hätte, sondern weil ich nur gut in diesem Kleinkram sei. Er solle also nicht glauben, ich wäre eine gute Partie, aber vielleicht würde ich ja eine kleine Erbschaft machen.
    Er hat dann gesagt, er habe mit Valerie, seiner Frau, zehn Jahre lang im Luxus gelebt. Häuser, Autos, Partys, Urlaube. Sie hätten berühmte Künstler, Politiker und Schauspieler als Freunde gehabt, die in ihren Häusern zu Gast gewesen seien, ihren Champagner getrunken und in ihren Swimmingpools gebadet hätten. Wenn seine Frau Geld gebraucht habe, habe sie ein Gemälde verkauft.«
    »In den Jahren hat Henry großartige Arbeit geleistet.«
    »Ohne etwas daran zu verdienen, behauptet er. Sie sei es gewesen, die ihn unterstützt habe. Er habe aus ihrem Trog gefressen. Er wurde immer wütender, als er davon erzählte, und nannte es ein >unechtes Lebern. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Er hält sich für verrückt. Du verbringst ja jeden Tag mit solchen Leuten.«
    »Ihr habt nur geredet?«
    »Ich habe ihm den Joint gegeben. Ein spezielles Kraut. Ich wusste, dass er sich danach an seinem Thema festbeißen würde.« Miriam setzte sich neben mich und senkte die Stimme. »Ich erzähle dir jetzt, wie er mich dazu verführt hat, Liebe zu machen.« »Liebe? Jetzt schon?«
    Henry hatte Bushy gebeten, sie zu seiner Wohnung in Hammersmith zu fahren. Ich besuchte ihn oft dort: Er lebte im ersten Stock, direkt am Fluss, und die breite Fensterfront des Wohnzimmers bot einen Blick auf die Themse und die Bäume des Treidelpfades auf dem gegenüberliegenden Ufer. Die anderen drei Wohnungen im Haus waren von alternden Theaterdiven belegt, mit denen sich Henry andauernd stritt, entweder um die Mülltonnen oder um die Zahl der Callboys -oder, was wahrscheinlicher war, der Nachwuchsschauspieler -, die die Treppen hinauf- und hinunterstampften. Oder sie diskutierten auf dem Treppenabsatz ausführlich über die Produktionen, die das Royal Court Mitte der Sechziger auf die Bühne gebracht hatte.
    Vom großen Wohnzimmer abgesehen, bestand Henrys Wohnung aus einer ganzen Reihe kleiner oder mittelgroßer Räume, in denen wahllos Erinnerungsstücke an das Theater sowie jene Kunstwerke herumstanden, die er seit ein paar Jahren anfertigte. Seine Skulpturen aus Draht und Gips oder aus Eierkartons und Spachtelmasse standen auf abgetretenen Teppichen; an den Wänden hingen seine Zeichnungen und Aquarellbilder zwischen angeknacksten Spiegeln, Postern und den Kostümskizzen zahlreicher Aufführungen.
    Wie viele andere Leute war er stolzer auf seine Hobbys als auf seine Arbeit. Wie sein Sohn Sam der Pantoffel-Frau - ja, jeder Frau, die durch die Wohnung tigerte - berichtet hatte, reichte es, Henrys Fotos zu loben, wenn man bei ihm einen Stein im Brett haben wollte. Der Pantoffel-Frau gefiel die Vorstellung so gut, am Fluss zu leben, den sie immer wieder betrachtete, dass sie sich sogar dazu hinreißen ließ, ein bisschen Staub zu wischen. Allerdings merkte sie bald, dass eine ganze Mannschaft und mehrere Tage nötig gewesen wären, bis sich irgendeine Wirkung gezeigt hätte. Doch sie würdigte die

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