Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
haben unserer Pfarrkirche gerade erst einen neuen Altar gestiftet. Ohne die Gilde hätten wir uns noch Jahre mit dem alten herumärgern müssen.«
»War der neue Gildemeister persönlich hier, um mit dir über den Ofen zu sprechen?«, fragte Ulman.
»Ja.«
»Ein … bemerkenswerter Mann, dieser Michel de Fleury, nicht wahr?«
Caboche spähte unauffällig zu Géroux, der nach wie vor in der Sänfte saß, und suchte nach unverfänglichen Worten. Thierry hingegen hatte den Münzmeister nicht gesehen und antwortete unverblümt, wobei er mit seiner Maurerkelle herumfuchtelte: »Er ist ein großer Mann, Exzellenz. Als ich ihn das erste Mal sah, dachte ich: Was für ein aufgeblasener Jungspund! Aber dann habe ich mit ihm geredet – bei der letzten Versammlung meiner Bruderschaft war das. Er sprüht nur so vor Klugheit und Witz. Und barmherzig ist er auch. Hat dafür gesorgt, dass die Witwe vom alten Mainet auf Kosten der Gilde von einem richtigen Medicus behandelt wird. Die anderen Pfeffersäcke sollten sich ein Beispiel an ihm nehmen. Wahrlich, ein großer Mann. Und ein Segen für unsere Stadt!«
»Was du nicht sagst«, murmelte Ulman. »Viel Glück bei der Arbeit. Möge der heilige Petrus geben, dass das Wetter hält«, wünschte er dem Maurer, nickte Caboche zum Abschied zu und stieg in die Sänfte.
»›Ein großer Mann‹«, wiederholte Géroux gereizt, als sich die Träger in Bewegung setzten. »›Ein Segen für unsere Stadt.‹« Der Münzmeister schnaubte. »Da seht Ihr, was dieser unverschämte Emporkömmling treibt. Plündert die Gildekasse aus, um Wohltaten zu verteilen, und das dumme Volk fällt darauf herein. Ich bitte Euch: Sorgt dafür, dass das aufhört, bevor es zu spät ist.«
Ulman berührte seine Amtskette und strich mit Daumen und Zeigefinger über das Metall. Ja, er musste etwas unternehmen, und zwar rasch. Wenn es de Fleury erst gelungen war, das Stadtvolk hinter sich zu bringen, würde es ihm kaum noch möglich sein, sich gegen die Gilde zu stellen und ihren Einfluss zu begrenzen. Mächtigere Stadtherren als er waren gefallen, weil sie sich einer starken Bürgerschaft beugen mussten.
»Könnt Ihr ihn stürzen?«
»Wenn das in meiner Macht läge, hätte ich es längst getan«, antwortete Géroux mürrisch. »Nein, er ist zu stark. Fast die Hälfte der Schwurbrüder hört auf ihn. Mit seinem Geschwätz von Fortschritt und Freiheit hat er sie dazu gebracht, ihm aus der Hand zu fressen. Und solange das so ist, kann ich rein gar nichts tun.«
»Er hat sich doch mit seinem Busenfreund Caron überworfen. Könnt Ihr Euch nicht mit ihm zusammentun?«
»Mit Caron? Wie denn?«
»Macht ihm Versprechungen. Schüchtert ihn ein. Bei Baffour und den anderen habt Ihr das doch früher auch geschafft.«
»Caron ist nicht Baffour. Er ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Er würde sich lieber die Zunge abbeißen, als mir seine Stimme zu geben. Ich könnte allenfalls dafür sorgen, dass de Fleury etwas … zustößt«, fügte Géroux zögernd hinzu.
»So wie neulich Nacht, als er vor seinem Haus überfallen wurde?«, fragte Ulman unwirsch.
Der Ministeriale deutete ein Nicken an.
»Ich dachte mir schon, dass Ihr dahintersteckt. Nein. Wir sind keine Mörder und Barbaren. Es muss einen Weg geben, uns de Fleury vom Hals zu schaffen, ohne dass Blut an unseren Händen klebt. Wir werden ihn mit zivilisierten Mitteln in die Knie zwingen, wie es sich für gute Christenmenschen gehört.«
»Niemand würde je erfahren, dass wir es waren.«
»Der Allmächtige würde es wissen, und nur das zählt. De Fleury wird kein Haar gekrümmt. Habe ich mich klar ausgedrückt? Und jetzt hört auf mit diesem ruchlosen Gerede.«
Für den Rest des Weges herrschte verdrießliche Stille in der Sänfte.
Am frühen Nachmittag, als Ulman wieder in seinem Palast war, zog er sich in seine Gemächer zurück. Namus brachte ihm heißen Würzwein, er nippte lustlos an seinem Kelch und starrte in die Kaminflammen, während er nachdachte.
Den Bau der Brücke konnte er nicht mehr rückgängig machen – nicht ohne sein Wort zu brechen. Auch gegen die neuen Backöfen und die Reinigung der Brunnen und Straßen konnte er nichts unternehmen – er konnte der Gilde schwerlich verbieten, etwas für die Stadt zu tun. Denn wenn er es täte, brächte er das Volk gegen sich auf und trieb sie nur noch mehr in die Arme der Kaufleute.
Nein, er musste einen anderen Weg einschlagen – einen geschickteren, heimlicheren. Einen, bei dem er im Hintergrund
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