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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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und lächelte. »Natürlich, du bist es. Und deine Kinder hast du auch mitgebracht. Jean, Michel und … Vivienne, richtig? Was verschlägt euch nach Varennes?«
    »Entschuldigt, wir müssen gehen«, sagte ihr Vater kurz angebunden. Gehetzt schaute er zu Guiscard, der immer noch den Marktaufseher anbrüllte. Herr Caron bemerkte seinen Blick und entdeckte den Ritter.
    »Seid ihr in Schwierigkeiten?« Sein Lächeln verschwand.
    Ohne ein weiteres Wort schob ihr Vater sie weiter. Während sie zum anderen Ende der Gasse eilten, sah Michel, dass Herr Caron abermals zu Guiscard schaute. »Wartet«, rief er ihnen nach. »Vielleicht kann ich euch helfen.«
    Ihr Vater wandte sich zu ihm um, den linken Arm um Vivienne gelegt. Misstrauen und Wachsamkeit sprachen aus seiner Miene.
    Der Kaufmann senkte seine Stimme. »Seid ihr aus Fleury geflohen?«
    »Was geht es Euch an?«, erwiderte ihr Vater schroff.
    »Angenommen, es wäre so – dann könnte ich mir vorstellen, dass ihr ein Versteck braucht, wo ihr unterkommen könnt, bis Guiscard die Suche nach euch aufgegeben hat.«
    »Schon möglich.«
    »Ich könnte euch mein Haus anbieten.«
    »Warum solltet Ihr das tun?«
    »Weil Leibeigenschaft in meinen Augen ein Verbrechen ist. Weil ich es als meine Christenpflicht betrachte, jedem zu helfen, der nach Freiheit strebt. Und weil ich de Thessy nicht ausstehen kann«, fügte Herr Caron mit einem feinen Lächeln hinzu.
    Michels Vater schwieg. Unterdessen hatte sich Guiscard endlich dem Aufseher gebeugt und ihm fluchend sein Schwert ausgehändigt. Nun suchte er weiter den Markt ab. Er ritt einmal quer über den Domplatz und verschwand schließlich aus Michels Blickfeld.
    »Du kannst mir vertrauen, Rémy«, sagte Herr Caron. »Ich will euch doch nur helfen – du hast mein Wort.«
    »Bitte, Vater«, bettelte Jean. »Lass uns zu Herrn Caron gehen. Michel will es auch. Nicht wahr, Michel?«
    Michel nickte. Genau wie sein Bruder war er todmüde und sehnte sich nach einer warmen Kammer, wo sie sich ausruhen konnten. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Herr Caron etwas im Schilde führte.
    Ihr Vater jedoch zögerte noch immer. »Wir würden Euch nur zur Last fallen.«
    »Unsinn. Ich bin ein sehr wohlhabender Mann, wenn du mir diese unbescheidene Feststellung gestattest. Ich kann es mir durchaus leisten, vier Gäste einen Tag und eine Nacht in meinem Haus aufzunehmen.«
    Just in diesem Moment tauchte Guiscard wieder auf. Der Ritter hatte offenbar den Markt umrundet und stieg am Stand eines Weinhändlers aus dem Sattel. Barsch orderte er einen Krug. Er stand keine zehn Ellen vom Eingang der Gasse entfernt, in der sie standen, und hatte ihnen den Rücken zugewandt.
    »Rasch, da entlang, bevor er euch sieht!«, flüsterte Herr Caron und huschte tiefer in die Gasse hinein.
    Guiscards neuerliches Auftauchen hatte ihrem Vater die Entscheidung abgenommen, ob es klug war, Herrn Caron zu trauen. Ohne zu zögern, ergriff er mit der Rechten Michels und mit der Linken Jeans Hand und lief dem Kaufmann nach. Sie gelangten in eine breitere und hellere Gasse hinter den Kaufmannshäusern und eilten über den festgetrampelten Schnee an einer Hofmauer aus verwitterten Ziegelsteinen entlang, bis sie zu einer schmalen Pforte kamen. Herr Caron öffnete sie und ließ sie hindurchschlüpfen, bevor er ihnen folgte und die Tür schloss.
    »Ich würde sagen, das war recht knapp«, meinte Herr Caron, und seine Lippen formten wieder jenes feine, elegante Lächeln. »Andererseits sollte ich froh sein, dass de Thessy aufgetaucht ist, sonst hättest du dir nie von mir helfen lassen.«
    »Ich weiß nicht, wie ich Euch je danken soll«, erwiderte Michels Vater steif.
    »Gehen wir ins Haus. Ihr seid gewiss hungrig. Ich sorge dafür, dass ihr etwas zu essen bekommt.«
    Sie durchquerten den Hof, der neben dem Stallgebäude eine Remise mit zwei Wagen, einen Backofen, einen kleinen Gemüsegarten und eine Sickergrube enthielt, auf der ein hölzerner Deckel lag. Hühner pickten im Schneematsch nach Körnern und liefen gackernd auseinander, als sie zur Hintertür des Hauses schritten.
    Trotz seiner Erschöpfung kam Michel aus dem Staunen nicht heraus. Ein Gebäude dieser Größe hatte er noch nie betreten. Es war wahrhaft riesig – allein ins Erdgeschoss hätte ihre Hütte mit Leichtigkeit hineingepasst. Der Eingangsbereich bestand aus einem einzigen fensterlosen Raum mit Gewölbedecke und einem zweiflügeligen Portal, das hinaus auf den Domplatz führte. An den Wänden

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