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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Wasseroberfläche. Das musste er sein! Jean holte tief Luft und tauchte.
    Mit geschlossenen Augen sank Barbarossa dem Grund des Saleph entgegen. Hatte er nur das Bewusstsein verloren – oder war er bereits tot? Während das Herz gegen seine Brust hämmerte, tauchte Jean tiefer, bekam Barbarossas Arm zu fassen und zog ihn an sich. Als der Kaiser die Augen öffnete, hätte er am liebsten gejubelt. Doch offenbar hatte die Todesangst seine Sinne vernebelt, denn Barbarossa geriet in Panik und begann heftig zu strampeln, wodurch er Jeans Händen entglitt.
    Der Schmerz in seiner Brust wurde so stechend, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als aufzutauchen und Luft zu holen.
    »Wo ist er? Wo ist er?«, schrie der Leibdiener.
    Jean tauchte wieder unter, sehr viel tiefer diesmal, bis er den Kaiser fand. Diesmal wehrte sich Barbarossa nicht, als Jean nach ihm griff, und er konnte mit ihm zur Wasseroberfläche schwimmen.
    Friedrichs Kopf fiel zur Seite, seine Augen waren geschlossen, er regte sich nicht. Mit beiden Händen hielt Jean ihn fest, damit sein Gesicht nicht unter Wasser geriet. Er strampelte, kam jedoch nur langsam vom Fleck, zumal ihn allmählich die Kräfte verließen.
    »So helft mir doch!«, keuchte er.
    Endlich hatte sich einer der Schildknappen seiner Rüstung entledigt und sprang in den Fluss. Allerdings konnte er nicht gut schwimmen, sodass er Jean keine große Hilfe war. Nach einem quälend langen Kampf gegen die Strömung berührte Jean schließlich mit den Füßen festen Boden. Den Kopf in den Nacken gelegt, arbeitete er sich zum Ufer, und die Schildknappen zogen Barbarossa aus dem Wasser.
    Schwer atmend kroch Jean auf die Böschung. Einer der Schildknappen legte beide Hände auf Friedrichs Brustkasten und versuchte mit Druckbewegungen, das Wasser aus seiner Lunge zu pressen.
    »Er atmet nicht!«, schrie der Leibdiener, der neben dem Kaiser im Gras kniete.
    Jean ging dem Schildknappen zur Hand. Als er Barbarossas Brust massierte, gab dieser plötzlich einen obszönen Rülpslaut von sich, und ein Schwall Wasser, vermischt mit Erbrochenem, schoss aus seinem Mund. Der Anblick war so entwürdigend und entsetzlich, dass der Diener zu schluchzen anfing.
    »Gott, hilf mir!«, stieß Jean hervor und begann, den Kaiser zu beatmen. Er presste seinen Mund auf Barbarossas kalte Lippen und blies ihm Luft in die Kehle, doch nichts geschah. Friedrich atmete nicht.
    Jean versuchte es wieder und wieder. Nichts.
    Er lauschte an Friedrichs Brust, befühlte die Adern an seinem Hals. Barbarossas Herz schlug nicht mehr.
    »Wir sind zu spät gekommen«, flüsterte Jean.
    Die Nachricht vom Tod des Kaisers breitete sich wie ein Lauffeuer im Heerlager aus. Als die Sonne versank, wusste jeder, vom mächtigsten Herzog bis zum geringsten Fußknappen, was am Ufer des Saleph geschehen war. Lähmendes Entsetzen ergriff die Krieger. Niemand schlief in dieser Nacht. Gestandene Männer weinten und klagten Gott an, er habe sie verlassen. Andere versammelten sich, um für Barbarossas Seele zu beten.
    Selbst unter den Edelleuten war die Mutlosigkeit so groß, dass sie am Sinn dieses Kreuzzuges zu zweifeln begannen. Bei Anbruch des Tages brachen die ersten ihr Lager ab, um mit ihren Kriegern in die Heimat zurückzukehren.
    »Ich habe mich umgehört«, sagte Raymond Fabre in den frühen Morgenstunden. »Nur Friedrich von Schwaben, Barbarossas Sohn, will weiterziehen. Alle anderen wollen umkehren. Sie sagen, der Kreuzzug sei verflucht.«
    Die Männer von Varennes, alle dreißig, saßen schweigend am Feuer, die Gesichter grau vor Trauer und Furcht.
    »Aber wir können nicht umkehren«, sagte Pierre, ein junger Seiler aus der Unterstadt. »Wir haben einen heiligen Eid geleistet.«
    »Ja.« Fabre nickte. »Deshalb schlage ich vor, dass wir uns Friedrich von Schwaben anschließen. Aber ich werde niemanden zwingen. Ein jeder von euch muss allein entscheiden, ob er sich noch an seinen Eid gebunden fühlt und dieses Wagnis auf sich nehmen will.«
    »Ich gehe mit!«, verkündete Pierre entschlossen.
    »Ich auch«, sagte Amalric, und die anderen taten es ihm gleich.
    »Was ist mit dir, Jean?«, fragte Fabre. »Willst du uns begleiten?«
    Jean hob den Kopf. Seit Stunden schon erfüllte dumpfe Leere seinen Kopf und lähmte jeglichen Gedanken – bis auf einen: Ich bin zu spät gekommen. Ich hätte schneller sein müssen.
    »Ja«, sagte er.
    Das war er Barbarossa schuldig.
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