Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
gewichtigen Teil um Angehörige des lothringischen Hochadels handelte. Belächelten sie ihn und seine offenkundige Armut? Er nahm sich vor, den Ersten, der ihn verspottete, an Ort und Stelle zu verprügeln, Hochzeit hin oder her. Er würde diesen Gecken zeigen, dass ein Mann keinen feinen Zwirn, hochtrabende Titel und Truhen voller Silber brauchte, um sich Respekt zu verschaffen.
Sein Blick fand den jüngeren Ferry, der ihn schon die ganze Zeit anstarrte, als suche er in Aristides Miene nach Hinweisen auf dunkle Geheimnisse und verborgene Sünden. Yolandes ältester Bruder machte keinen Hehl daraus, dass er seinen künftigen Schwager nicht leiden konnte – das war Aristide schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen. Nun, die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Aristide beschloss, Ferry II. im Auge zu behalten. Von diesem Mann war Ärger zu erwarten.
Von seiner Braut hingegen waren fleischliche Freuden höchster Güte zu erwarten. Yolande war eine Augenweide in ihrem Gewand aus hellblauer byzantinischer Seide, das sich um ihre Rundungen schmiegte und ihre üppige Figur bestens zur Geltung brachte. Auf ihrem Kopf saß die goldene Hochzeitskrone, die so verheißungsvoll funkelte wie ihre Augen. Er konnte es kaum erwarten, sie endlich in sein Schlafgemach zu führen und Dinge mit ihr anzustellen, die gewiss noch kein Mann mit ihr angestellt hatte.
Allerdings galt es noch das eine oder andere Hindernis zu bewältigen, bevor er ihren Körper in Besitz nehmen konnte – angefangen mit dieser Zeremonie. Der Bischof stellte seine Geduld auf eine harte Probe, indem er die Messe schier endlos in die Länge zog. Der Mann hörte sich gern reden und machte um jedes Gebet, jeden Psalm ein Aufhebens, als halte er eine zweite Bergpredigt. Der Morgen war bereits weit fortgeschritten, als er endlich von Aristide und Yolande das Jawort erfragte und den Segenüber das Brautpaar sprach.
Der Burgkaplan läutete die Glocken, und die Hochzeitsgesellschaft zog zum Palas, wo Aristides Hausdiener bereits alles für das große Festbankett vorbereitet hatten. Nachdem Herzog Simon mit erhobenem Weinkelch Gott um seinen Schutz für das junge Paar angerufen hatte, setzten sich die Gäste an die U-förmige Tafel. Spielleute machten Musik; im Kamin verbrannte ein ganzer Baumstamm, und das Feuer erfüllte den Saal mit behaglicher Wärme. Besonders die weiblichen Gäste bewunderten die Schätze, die Yolande in die Ehe mitbringen würde und die auf einem mit grünem Samt bezogenen Tisch auslagen, bewacht von zwei Waffenknechten. Feinstes Geschmeide und Edelsteine in allen Farben des Regenbogens funkelten in einer Ecke des Saales um die Wette. Der Herr von Bitche war großzügig, das musste man ihm lassen. Yolandes Mitgift hatte den Brautpreis mehr als aufgewogen.
Aristide und sein Truchsess hatten sich einiges einfallen lassen, um die hochwohlgeborenen Gäste bei Laune zu halten. Die Mägde trugen üppige Speisen auf, und bald bogen sich die Tische unter der Last gebratenen Fleisches, garniert mit Gemüse, frischem Brot und kandiertem Obst. Fanfarenstöße kündigten die einzelnen Gänge an, dazwischen führten Gaukler ihre Kunststücke auf. Es gab Feuerspucker, Jongleure, Possenreißer, sogar einen Tanzbären, dessen Gebrüll den Damen einen tüchtigen Schrecken einjagte. Besonders stolz war Aristide auf die Zwerge, die sein Truchsess in Metz aufgetrieben hatte. Die kleinwüchsigen Männer, fünf an der Zahl, spielten nach, wie Siegfried, der Recke aus alten Tagen, den feuerspeienden Lindwurm erschlug. Vier der Zwerge steckten in einem Drachenkostüm aus Reifen und buntem Tuch, der fünfte gab den Siegfried, angetan mit einer niedlichen Rüstung und einer winzigen Ausgabe des Zauberschwertes Balmung, mit dem er angeberisch herumfuchtelte, während er großspurige Reden schwang. Später trat auch Alberich auf. Verborgen unter dem schwarzen Umhang, der Tarnkappe, steckte kein anderer als Berengar, Aristides Sarjant, der nahezu doppelt so groß war wie Siegfried, zu dem er in seiner Rolle als Zwergenkönig eigentlich hätte aufschauen müssen. Yolandes Vater lachte darüber so heftig, dass sein Kopf rot anlief und er sich am Wein verschluckte. Anders als sein verkniffener und immerzu misstrauischer Stammhalter war Ferry der Ältere ein herzlicher Mann, rau und aufbrausend zwar und schnell beleidigt, aber nichtsdestotrotz eine fröhliche und unkomplizierte Seele. Aristide hatte ihn von Anfang an ins Herz geschlossen, und es gab nicht viele
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