Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Weges.
»Morgen Abend treffe ich Stephan Pérouse, Raoul Vanchelle und Ernaut Baudouin«, sagte Gaspard unvermittelt, als sie die Kanalbrücke überquerten. »Wir wollen Verschiedenes bereden. Es würde mich freuen, wenn du auch kämst.«
»Worüber wollt ihr reden?«
»Stephan, Raoul und Ernaut sehen es wie ich. Wir können nicht länger dabei zuschauen, wie Ulman und seine Ministerialen Varennes zugrunde richten. Wir wollen beraten, was wir tun können.«
»Ich komme gern«, sagte Michel, wenngleich er nicht wusste, was er von der Sache halten sollte. Pérouse, Vanchelle und Baudouin waren ein wenig älter als Gaspard und er und hatten ihre Geschäfte bereits vor einigen Jahren von ihren Vätern geerbt. Keinen von ihnen mochte er besonders. Aber er konnte sich zumindest anhören, was sie zu sagen hatten.
»Gut. Je mehr wir sind, desto besser. Aber bitte sprich mit niemandem darüber. Das Treffen soll vertraulich sein.«
»Natürlich.«
»Nun genug davon«, sagte Gaspard. »Es ist noch früh. Begleite mich nach Hause. Ich möchte dir meine Frau vorstellen. Isabelle und meine Mutter freuen sich schon darauf, dich wiederzusehen.«
Michel war müde, doch er wollte seinem Freund diese Bitte nicht abschlagen. »Also gut.«
Das Haus der Familie Caron hatte sich kaum verändert, seit Gaspards Vater sie vor Guiscard de Thessy gerettet hatte. Wie immer, wenn Michel es betrat, dachte er an jenen eiskalten Dezembertag vor vierzehn Jahren, an dem er zum ersten Mal die Treppe im Eingangsraum hinaufgestiegen war. Ihm fiel auf, dass die Einrichtung teurer und komfortabler wirkte als bei seinem letzten Besuch. Allen Schwierigkeiten zum Trotz musste Gaspard in den letzten Jahren gute Geschäfte gemacht haben.
Lutisse und Gaspards Mutter Marie hielten sich in der Stube auf und stickten. Marie begrüßte den Jugendfreund ihres Sohnes überschwänglich und bestürmte ihn mit Fragen über Mailand und Italien. Trotz ihrer einundvierzig Jahre war sie immer noch eine ansehnliche Frau, schlank, dunkelblond, das Gesicht fast frei von Falten. Sie nahm Michel so sehr in Beschlag, dass es eine Weile dauerte, bis Gaspard ihn endlich seiner Gattin vorstellen konnte. Lutisse freute sich sehr, ihn kennenzulernen. Sie war klein und recht unscheinbar mit ihrem rindenbraunen Haar und dem runden Gesicht, doch sie hatte ein herzliches Wesen, das Michel sofort für sie einnahm.
Nachdem eine Magd Wein gebracht hatte, berichtete er der Familie von seinen Erlebnissen in der Lombardei. Er war ein guter Geschichtenerzähler – ein Talent, das er von seinem Vater geerbt hatte –, und Marie und Lutisse lauschten ihm gebannt. Gaspards Stimmung hellte sich allmählich auf, und als Michel von Messere Agostis zahlreichen Schrullen erzählte, lachte er mit ihnen.
Plötzlich sprang eine Katze auf Michels Schoß. »Nanu?«, murmelte er. »Wer bist denn du?«
»Das Vieh hat in der Stube nichts verloren«, sagte Gaspard mit einer Falte des Ärgers zwischen den Brauen. »Warte. Ich werfe sie hinaus.«
»Mach dir keine Umstände, sie stört mich nicht.« Tatsächlich hatte Michel eine Schwäche für Katzen, deren Eigensinn und Eleganz er schätzte. Das Tier schien seine Zuneigung zu erwidern, denn es ließ sich den Kopf kraulen, schnurrte wohlig und grub die Krallen in sein Gewand.
» Salome! Wo steckst du denn wieder?« Eine junge Frau kam in die Stube gestürmt. » Da bist du … oh!«, machte sie, als sie die Katze auf seinem Schoß entdeckte.
Michel musste zugeben, dass Gaspard nicht übertrieben hatte, was seine jüngere Schwester betraf – ganz und gar nicht. Aus dem trotzigen Mädchen mit den Zöpfen war eine wunderschöne Maid geworden, ein jüngeres Ebenbild ihrer Mutter, mit fein geschnittenen Gesichtszügen, dunklen Wimpern und den ungewöhnlichsten Augen, die er je gesehen hatte: bernsteinfarben, rätselhaft, beinahe wie die Augen ihrer Katze. Ein schlichtes blaues Kleid verhüllte züchtig ihre Rundungen.
»Guten Abend, Schwester«, sagte Gaspard. »Du erinnerst dich sicher an Michel.«
»Natürlich.« Sie lächelte. »Schön, dich wiederzusehen.«
»Isabelle, wo sind deine Manieren?«, fragte ihre Mutter. »Sprich Herrn Michel so an, wie es sich gehört.«
»Ich kenne ihn seit meiner Kindheit, Mutter. Ich fange bestimmt nicht an, ›Ihr‹ und ›Euch‹ zu ihm zu sagen.«
»Doch, das wirst du. Er ist jetzt ein angesehener Kaufmann und das Oberhaupt seiner Familie, und du wirst ihm mit Respekt begegnen, wie es sich für eine junge
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