Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
Vom Netzwerk:
entgegenbringe wie den Nachkommen ehrbarer und alteingesessener Kaufleute.«
    Darauf lief es also hinaus: dass in seinen Adern das Blut von Unfreien floss, von Bauern, von Abschaum in Géroux’ Augen. Aus demselben Grund hatte der Ministeriale damals seinem Vater Steine in den Weg gelegt, hatte anfangs sogar versucht, seine Aufnahme in die Gilde zu verhindern, obwohl die Statuten ausdrücklich jeden Kaufmann willkommen hießen, unabhängig von seiner Herkunft.
    Michel musste sich beherrschen, Géroux nicht zu beschimpfen. Aber er brauchte dringend dessen Erlaubnis, sofort Handel treiben zu dürfen. Andernfalls war sein Geschäft in Gefahr, bevor er überhaupt damit angefangen hatte. Er schluckte die Demütigung und sagte: »Ich würde Euch nicht darum bitten, wenn ich nicht in einer Notlage wäre. Das Begräbnis und die Trauerfeier waren sehr kostspielig. Der Freiteil wird einen beträchtlichen Teil meines Erbes verschlingen. Wenn ich nicht bald Geld verdiene, kann ich meine Bediensteten nicht mehr versorgen und muss Teile meines Besitzes verkaufen.«
    »Wieso bittet Ihr nicht Martel, dass er Euch Aufschub beim Zahlen des Freiteils gewährt?«, fragte Géroux barsch.
    »Er lässt nicht mit sich reden. Spätestens bis Johanni muss ich gezahlt haben. Bitte«, fügte Michel hinzu, obwohl es ihm schwerfiel. »Gewährt mir Eure Erlaubnis. Die Gilde muss mich auch nicht bei meinen Geschäften unterstützen.«
    Der Gildemeister starrte ihn lange an.
    Er weiß, dass er mich in der Hand hat, dachte Michel, während er dem Blick standhielt. Und er genießt es.
    »Habe ich Euer Wort, dass Ihr das Recht der Gilde unter allen Umständen achtet und keinem Eurer zukünftigen Schwurbrüder Schaden zufügt?«, fragte Géroux schließlich.
    »Natürlich.«
    »Schwört es bei den Statuten.«
    Michel legte die Rechte auf das uralte Pergament und sprach den geforderten Eid.
    »Außerdem erwarte ich, dass Ihr Euren Gildenbeitrag für ein Jahr im Voraus zahlt – damit ich weiß, dass es Euch ernst ist mit Eurem Versprechen.«
    Das war eine neuerliche Frechheit, mehr noch: eine Beleidigung. Géroux sagte damit nichts anderes, als dass ihm Michels Wort nicht genügte. Doch Michel schluckte auch diese Erniedrigung, zückte seine Börse und legte zwölf weitere Sous auf den Tisch. »War das alles? Oder wünscht Ihr, dass ich der Gilde auch mein Haus verpfände?«
    Wieder dieser bohrende Blick. »Ich warne Euch. Stellt meine Gutwilligkeit nicht auf die Probe.«
    »Das käme mir nie in den Sinn. Habt Dank für Eure Großzügigkeit, Gildemeister, und gehabt Euch wohl.«
    Als er zur Tür ging, sagte Géroux: »Eins noch, de Fleury. Ich spüre, dass Ihr ein Aufrührer seid. Ein Unruhestifter, genau wie Euer Busenfreund Caron. Aber ich werde nicht zulassen, dass Ihr der Gilde Scherereien macht. Habt Ihr mich verstanden?«
    »Und das lässt du dir bieten?«, rief Jean. »Er hat dich beleidigt! Und Vater auch!«
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, gab Michel gereizt zurück. »Ihn verprügeln? Irgendetwas sagt mir, dass ich damit nicht seine Erlaubnis bekommen hätte.«
    »Scheiß auf Géroux’ Erlaubnis. Wir wären auch so klargekommen.«
    »Und wie? Wir haben kein Geld mehr, falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Wir müssen schleunigst welches verdienen, wenn wir die nächsten Wochen überstehen wollen.«
    »Warum verkaufen wir nicht einen Teil unseres Erbes? Einen Kupferleuchter zum Beispiel, oder das silberne Kruzifix.«
    »Dafür bekommen wir keine zehn Sous. Außerdem würden wir uns damit unmöglich machen. Du weißt doch, wie die Leute sind. ›Schaut euch die armen Schlucker an‹, würden sie sagen. ›Die wollen Kaufleute sein?‹ Nein, ich mache mich nicht zum Gespött der ganzen Stadt. Lieber lasse ich mich von Géroux beleidigen.«
    »Für die Bücher bekämen wir mehr«, gab Jean zu bedenken. »Sie sind sicher zehn, fünfzehn Pfund wert.«
    »Wir verkaufen die Bücher nicht«, sagte Michel entschieden. »Kein einziges. Und jetzt genug davon. Schauen wir uns die Waren an. Wenn Vaters Liste stimmt, müsste genug da sein, dass wir vorerst keine Geldsorgen haben müssen.«
    Sie zündeten Kerzen an und stiegen in den Keller hinab, wo die Güter lagerten, die ihr Vater kurz vor seinem Tod eingekauft hatte. Er hatte hauptsächlich mit Salz aus der hiesigen Saline gehandelt, aber auch mit anderen Dingen, wenn es ihm lukrativ erschienen war. So fanden sie in den Gewölbekammern neben zwei Fässern mit Salz eine größere Menge Taue und

Weitere Kostenlose Bücher