Das Salz der Mörder
Fortwährend
machte er seine üblen Witze. Er wirkte völlig normal auf mich. Ich kenne ihn
gar nicht anders. War es die Wiedersehensfreude, war es Ghana? Er benahm sich
sehr ausgelassen, fast übermütig, würde ich sagen. Manfred, was meinst du?“
Ich
zuckte mit den Schultern, und David sprach weiter: „Er lachte, er fiel mir
laufend ins Wort. Eben ganz normal. Und plötzlich, mitten im Satz, sackte er in
sich zusammen. Sein Kopf klappte auf die linke Schulter; seine Arme fielen
herunter. Scheinbar verlor er deshalb sein Gleichgewicht. Er stürzte mitsamt
dem Korbsessel auf den Boden. Es ging ja alles viel zu schnell. Wir hatten ja
keine Möglichkeit ihn . . . Ich habe noch immer den dumpfen Klang in den Ohren,
als er mit dem Kopf auf den blanken Terrazzo der Veranda schlug. Dieses
Geräusch - das können Sie mir glauben - werde ich nie mehr in meinem Leben
vergessen. Erst dadurch wurde mir klar, dass er nicht spaßte, dass es ernst
war.“
„Ist
Mister Smiley versichert? Darf ich seinen Reisepass sehen? Entschuldigen Sie
bitte, das sind die Formalitäten.“
„Ja,
Mister Smiley ist britischer Staatsangehöriger. Wir werden das alles
nachreichen. Herr Doktor, bitte, was ist mit ihm?“
„Ich
konnte ihn bisher nicht untersuchen. Mister Smiley ist weiterhin ohne
Bewusstsein. Das kann zwei Ursachen haben. Die zweite, ist sicherlich der harte
Aufschlag mit dem Kopf auf den Steinfußboden. Die erste Ursache allerdings -
sie sagten, er brach überraschend in sich zusammen -, die erste Ursache, oder
besser formuliert, das auslösende Symptom scheint mir noch im Argen zu liegen.
Was ist denn mit seinem rechten Bein geschehen?“
„Manfred,
das war die Kuwait-Sache, nicht wahr?“
„Ja,
sie haben Steven . . .“
In
dem kleinen, ruhigen Krankenhaus der High Commission in der Gamal Abd el-Nasser
Avenue war unversehens der Teufel los. Schreie auf den Fluren, Scheiben
klirrten, Telefongeklingel. Jemand riss ohne anzuklopfen die Tür vom leitenden
Direktor auf.
„Doctor
Webster, I beg you pardon! Director, the patient at room 208 took ward sister
Florence as hostage!“
„Kommen
Sie meine Herren, das ist Ihr Mann!“
Wir
stürzten aus dem Büro und hetzten die Treppe zum zweiten Stock hinauf. Im
Laufen fragte ich David: „Habe ich das richtig verstanden: Steven hat eine
Geisel?“
„Ja,
Steven dreht durch.“
Ich
war völlig außer Atem. Schließlich erreichten wir die zweite Etage. Aber wir
kamen nicht durch den dichtgedrängten Flur, da sich das Krankenzimmer 208
dummerweise genau gegenüber dem Treppenaufgang befand. Ärzte, Schwestern,
Pflegepersonal, Patienten und Besucher versperrten uns den Zugang zu Stevens
Zimmer. Neugier ist auch eine Gier, dachte ich. Erst als man Dr. Webster
erkannte und dessen Anordnungen wahrnahm, gaben die meisten Schaulustigen den
Weg frei. Die Tür stand weit offen. Ein Zweibettzimmer, belegt mit einem Mann.
Jeder starrte hinein. Alle warteten. Worauf sie warteten, wird an dieser Stelle
unbeantwortet bleiben müssen. Jeder sah dasselbe: Wir sahen diese Stationsschwester
Florence auf Steven liegen. Ihre weiße Schwesternkleidung lag rechts und links
neben dem Bett auf dem keimfrei geschrubbten Fußboden. Sie war splitternackt.
Ihren Slip hatte sich Steven wie eine Mütze über seinen bandagierten Kopf
gezogen. Mit dem linken Arm presste er die jammernde junge Frau an seinen
Körper, wobei seine kräftige Hand ständig über ihren kaffeebraunen Po
streichelte. (An und für sich ein reizender Anblick, wenn die Situation nicht
so tragisch gewesen wäre). In seiner Rechten hielt er eine Nachttischlampe mit
einem langen, schwarzen Kabel, das er teilweise um ihren Hals geschlungen
hatte. Aller Voraussicht nach rechnete er sich zwei Möglichkeiten aus: Er
könnte die Schwester entweder mit dem Stromkabel strangulieren oder die ganze Lampe
auf ihrem Kopf zerschmettern.
Ich
war der erste, der ihn anschrie: „Steven! Hörst du mich? Steven! Lass sofort
die Krankenschwester los! Bist du wahnsinnig geworden?“ Seine Augen starrten
mich geistesabwesend an. Dr. Webster warf mir einen ärgerlichen Blick zu und
schob David und mich aus dem Zimmer. Wahrscheinlich befürchtete er unsere
Unerfahrenheit. Er schloss die Tür hinter sich. Nun standen wir ebenso wie die
anderen in dem überfüllten Flur und warteten besorgt ab, was geschehen würde.
„Hey,
Doktor, wenn Sie nicht sofort die verdammte Tür aufmachen, wird niemand
erfahren, weshalb ich diese süße Puppe umbringen werde! Haben
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