Das Salz der Mörder
lassen.
Überall knallt es, und es wird lauthals gejohlt und gesungen.
Sie
müssen sich das mal vorstellen, es war Punkt zwölf, Mitternacht, überall Jubel,
Trubel, Heiterkeit - das Neue Jahr beginnt -, und die Frau konnte unbemerkt und
in aller Öffentlichkeit drei Männer ermorden. Nach der Tat fuhr sie zurück zum
Hotel. Sofort alarmierte ich Polizei und Feuerwehr, selbstverständlich ohne
meinen Namen zu nennen. Unter Umständen wären die Männer zu retten gewesen -
was weiß ich. Wie ich später erfuhr, benötigte die Polizei nahezu eine Stunde,
um an den Tatort zu gelangen. Die Feuerwehr erschien erst gar nicht, weil
sämtliche Löschfahrzeuge angeblich zur gleichen Zeit bei einem Großeinsatz auf
dem Messegelände beschäftigt waren. Das Zusammentreffen solcher Zufälle,
scheint mir so ziemlich einzigartig in der Münchner Stadtgeschichte zu sein.
Darum wurde sicherlich für die Presse das Märchen mit den Passanten erfunden,
die die Leichen angeblich erst am nächsten Morgen gefunden haben wollen. Dessen
ungeachtet habe ich mir - ohne zu essen und zu trinken, muss ich wiederholen -
die ganze Neujahrsnacht um die Ohren geschlagen, bis die Frau früh um sechs das
Hotel verließ. Ohne sich um den Benz und den VW zu kümmern, ging sie direkt zum
Hauptbahnhof und kaufte eine Fahrkarte nach Wien. Ich tat das Gleiche. Ich
stieg in den Zug und setzte mich im Abteil ihr unmittelbar gegenüber. Der Zug
hielt zum ersten Mal in Rosenheim, dann erst wieder in Salzburg. Ich ließ sie
nicht aus den Augen. Plötzlich war sie verschwunden.“
„Was
heißt das: Plötzlich war sie verschwunden? Möller, Sie haben sie wohl
hoffentlich nicht entkommen lassen? Eine dreifache Mörderin! Sagen Sie mir,
dass das nicht wahr ist.“
„Es
tut mir leid, Frau von Bentheim, es ist bedauerlicherweise wahr. Ich weiß
nicht, wie mir das passieren konnte. Ich ließ sie wirklich nicht aus den Augen.
Im wahrsten Sinne des Wortes. Im Nachhinein kam ich zu der Überzeugung, dass
sie mich hypnotisiert haben könnte. Ich halte zwar nichts von diesem
Hokuspokus, dennoch fällt mir keine andere Erklärung für mein Versagen ein.“
„Mein
lieber Möller, ich will hoffen, dass Sie nicht eingeschlafen sind nach der
langen Nacht? Wer ist diese Frau? Wo ist diese Frau. Sie müssen sie finden.“
„Nein,
nein, natürlich bin ich nicht eingeschlafen. Ich bin bis Wien gefahren, bin hundertmal
durch den Zug gelaufen, befragte die Schaffner und die Mitreisenden. Nichts.
Niemand will die Frau gesehen haben. Sie hatte sich offenbar in Luft aufgelöst.
Tut mir aufrichtig leid. Ich fuhr zurück nach München und forschte in diesem
Hotel nach. Wieder nichts. Einfach gar nichts. Angeblich war der gesamte Laden
von einer Reisegesellschaft aus Ingolstadt gemietet worden, die den
Jahreswechsel für ihre Betriebsfeier auserkoren hatte. Keinen Anhaltspunkt,
keine brauchbaren Spuren - nicht eine einzige. Ich verstehe das nicht. Ich
versuchte die Fahrzeughalter der beiden Autos zu ermitteln – von dem Benz und
dem VW. Wie zu erwarten: Leihwagen. Von der Autovermietung erfuhr ich, dass der
Mietvertrag auf den Namen einer gewissen Rose Mason aus Braunschweig
ausgestellt wurde. Ich fahre mit meiner Klapperkiste schnurstracks nach
Braunschweig. Ein ehemaliger Kollege von mir arbeitet bei der dortigen
Verkehrspolizei. Ohne viel Umstände, bekomme ich Auskunft. Die angegebene
Braunschweiger Adresse existiert nicht, und eine Frau Mason existiert erst
recht nicht. Es wäre mit Sicherheit besser gewesen, wenn ich sie bei ihrer Tat
überwältigt, die Männer gerettet und diese Frau sofort bei der Polizei
abgeliefert hätte.“
„Dafür
ist es aber jetzt zu spät, Möller.“
„Ich
denke unablässig darüber nach, wie ich so versteinert und handlungsunfähig
zusehen konnte, als die Männer ertranken. Ich kann mir das selbst nicht
erklären.“
„Wissen
Sie was? Sie werden mich sofort nach Berlin begleiten. Sie müssen dort Ihre
Aussage machen, um den jungen Wegner so schnell wie möglich aus der Zelle raus
zu holen. Das steht der Kleine nicht durch. Er hat sowieso schon viel zu viel
mitgemacht. Kommen Sie. Was Sie für unterwegs brauchen, können wir bei Aldi
kaufen.“
„Frau
von Bentheim, da ist noch etwas.“
„Das
werden Sie mir ausführlich während der Fahrt erzählen. Haben Sie schon
gefrühstückt? Nein? Nun kommen Sie, wir essen später. Ich muss ohnehin irgendwo
tanken.“
Nach
einem hektischen Raststättenfrühstück - Gespräch im Auto auf der A 9
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