Das Salz der Mörder
flüsterte sie mir ins Ohr, indem wir uns beide bemühten dieses
himmlische Empfinden der Ekstase vor uns herzutreiben. Vroni erhob sich und
stützte ihre Arme an meinen Schultern ab. Wir sahen uns wieder in die Augen.
Mein Unterleib fing an zu zittern.
„Nicht
bewegen, Freddy, bitte“, flüsterte sie noch einmal, doch die baldige Explosion
schien unausweichlich. Endlich drängten unsere Körper vorwärts, stärker und
stärker gegeneinander, auf und ab. Das Bettgestell, das seit einem dreiviertel
Jahr nicht mehr unter derartigen Belastungen zu leiden hatte, begann die ersten
missbilligenden Töne von sich zu geben. Vroni lächelte. Ich sah noch, wie sich
ihre Augen weiteten und ihr Mund öffnete. Dann zog ich sie zu mir herunter, und
unweigerlich schwanden uns die Sinne . . .
Ausgelaugt
kam ich zu mir. Nass umschlungen hielten wir einander fest und schliefen
friedlich ein.
Bevor
der Märzregen nachmittags abermals an die schweißverhangenen Fenster trommelte,
erwachten wir in derselben umklammerten Haltung, in der wir eingeschlafen
waren. Vroni stand auf, zog rasch ihren Morgenmantel an und lief ins
Wohnzimmer, um nach Gaby zu sehen. Ich ging inzwischen in die Küche und setzte
Kaffeewasser auf. Als Vroni kam, umklammerte sie mich von hinten. Vor Schreck
fielen mir die Filtertüten aus der Hand.
„Meine
kleine Süße schläft noch. Ich liebe dich, Freddy. Bitte, verlass mich nie
wieder. Hörst du? Versprich mir das.“ Ich drehte mich zu ihr um, und wir fielen
uns erneut in die Arme.
„Leider
muss ich dich enttäuschen, Vroni. Ich habe Verschiedenes zu erledigen. Das
Versprechen, dich nicht mehr allein zu lassen, werde ich dir vorläufig nicht
geben können. Dafür schwöre ich dir, dich immer zu lieben und dich immer
geliebt zu haben. Das musst du mir glauben.“
„Ich
glaube es dir . . . Nun sag mir schon, was du vor hast. Gaby und du, ihr werdet
ja weiterhin gesucht. Du solltest dich so schnell wie möglich beim Staatsanwalt
melden.“
„Nein,
Vroni! Das werde ich bestimmt nicht. Ich habe die Schnauze endgültig voll.
Jeder hergelaufene Dummkopf will mir einreden, was ich tun und was ich lassen
soll. Das mache ich nicht mehr mit, sondern ich mache jetzt das, was ich für
richtig halte. Schluss und aus. Du weißt ja, als wir noch drüben lebten, wurden
wir unserer persönlichen Freiheiten beraubt. Wir verkrochen uns in unsere
östlichen Nischen und jeder bastelte sich seine eigene heile Welt zusammen.
Hast du vergessen, wie wir uns durchgewurstelt haben? Na klar, finanziell ging
es uns verhältnismäßig gut, doch insgeheim hofften wir auf den baldigen
Zusammenbruch des verhassten Systems, ohne zu wissen, was sich bei einer
eventuellen Wiedervereinigung ändern würde. Dass die hier auch nur mit Wasser
kochen, merkten wir ja erst nach unserem Umzug in diese verwässerte
Gesellschaft. Ich bin nicht hierher gekommen, um solche fragwürdigen Freiheiten
zu entdecken. Das sind nicht die Freiheiten, für die mein Vater ums Leben kam
und klein Freddy kein Abitur machen und nicht studieren durfte, und so manch
anderer auf der Strecke blieb. Meine Freiheiten hatte ich mir anders
vorgestellt. Es reicht. Ich will auf meinen eigenen Beinen stehen, ohne dass
mir irgendjemand laufend dagegen tritt. Nein, ich werde mich nicht beim
Staatsanwalt melden. Das werde ich ganz und gar nicht, aber dafür brauche ich
deine Hilfe. Ich hoffe, du hast den Mut, mit den Kindern und mir noch einmal
völlig von vorn anzufangen. Hast du diesen Mut?“
Sie
nickte schweigend und setzte sich auf meinen Schoß.
„Also,
wenn du einverstanden bist, dann höre mir jetzt gut zu . . .“
70. Das Protokoll
„Frau
Wegner, bevor Sie das Protokoll unterschreiben, lesen Sie es sich bitte noch
einmal in aller Ruhe durch, um eventuelle Missverständnisse oder Irrtümer
auszuräumen.“
.
. . am 3. März kam ich gegen sieben Uhr morgens vom Nachtdienst nach Hause. Als
ich meine Wohnungstür öffnete, stand mein geschiedener Ehemann, Herr Manfred
Wegner, vor mir. Er hatte meine Tochter Gabriele an sich gepresst und hielt ihr
mit der linken Hand den Mund zu. Mit seinem rechten, ausgestreckten Arm
richtete er eine Pistole auf meinen Kopf. Er fragte mich, wo unser Sohn Daniel
sei. Daniel wäre in Berlin bei seinen Großeltern, antwortete ich. Daraufhin
stieß er mich mit seiner Waffe zum Telefon ins Wohnzimmer. Ich hatte sofort
meine Mutter, Frau Ilse Buchwald, anzurufen. Sie solle meinen Sohn unter allen
Umständen in den nächsten Zug nach
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