Das Salz der Mörder
München setzten, sonst passiere ein Unglück.
Erst jetzt begann Herr Wegner zu erzählen. Er und unsere Tochter seien am
Morgen des 10. August in der Nähe von Sankt Peter-Ording von einer
hinduistischen Sekte entführt worden. Später wurde er zum Beischlaf mit einem
der weiblichen Mitglieder dieser Sekte gezwungen. Bedingt durch tägliche
Belehrungen während der ‚Sinngebungen‘ und ‚Anrufungen‘, wurde er zunehmend von
dieser transzendentalen Religion und der Autorität eines Brahma Babas
erleuchtet. Durch den stetigen Zwang zum intensiven Geschlechtsverkehr mit
seiner Dienerin namens Maria, der stets im Zeichen von dynamischen Mondzyklen
stattfand, analysierte er seine unbekannte Libido und konnte neue Kraft
schöpfen, um für das Leben im ‚Goldenen Zeitalter‘ gewappnet zu sein. Anlass
der religiösen Befruchtungen sei gewesen, neue Menschen für das Leben nach dem
großen Desaster zu zeugen. Er wäre die achte Perle des Rosenkranzes und einer
der Entscheidungsträger der ‚Auserwählten des Erlösers‘, dessen Führer eine
gewisse Frau Dr. Margot S. Hansen ist. Bei vorgehaltener Waffe musste ich ihm
zuhören. Wenn ich ihm nicht glaubte, bräuchte ich mich bloß in der Zentrale der
,Auserwählten des Erlösers‘ zu erkundigen. Diese befindet sich in einem kleinen
Dorf namens Wusterwalde in Schleswig-Holstein. Dort steht ein Brunnen auf dem
Vorplatz eines ‚Weißen Hauses‘. Man hätte diesen Brunnen sehr genau zu
untersuchen. Darin befänden sich unerklärliche Dinge, die als Abschreckung für
nachfolgende Menschheiten dienen sollten. Da sich die Auserwählten des Erlösers
vor kurzem in zwei unabhängige Gruppen gespaltet hätten, sei es durchaus möglich,
dass sich ein Teil der ursprünglichen Gruppierung noch am Ort befindet. Er
werde mit Gabriele und Daniel und den anderen Mitgliedern der ‚Neuen
Generation‘ in die ‚Freie Ära’ überwandern. Die Neue Generation habe er
gegründet, und er wäre auch ihr Führer. Ihr Ziel sei es, ein neues Volk zu
gründen, das in Frieden und Eintracht in der Freien Ära lebt. Abends gegen neun
Uhr kam mein Sohn Daniel nichtsahnend ins Zimmer. Für ihn wiederholte mein
Ex-Mann seine Ausführungen. Dann forderte er mich auf, ihm die Schlüssel meines
Zweitwagens zu geben. Als er die hatte, schnitt er das Telefonkabel durch und
band mir damit die Hände auf den Rücken. Dann befahl er mir bis zum nächsten
Morgen um sechs leise zu sein und niemanden zu alarmieren. Er schloss mich im
Wohnzimmer ein und verließ mit meinen Kindern die Wohnung. Wo sich Herr Wegner
mit meinen Kindern gegenwärtig aufhält, ist mir nicht bekannt.
„Haben
Sie Ihrer Aussagen noch etwas hinzuzufügen?“
„Nein.“
So hoch hat Gott
den Menschen getrieben und gezwungen, dass er nicht ohne Salz leben kann oder
mag, sondern muss dasselbige haben. (Paracelsus)
71. Ultima ratio ARD Live – Sondersendung
„Ich
stehe hier vor dem Ortseingangsschild von Wusterwalde, einem kleinen Dorf im
Kreis Sankt Peter-Ording in Schleswig-Holstein. Es ist genau neun Uhr dreißig
an diesem schönen Frühlingstag. Die Temperaturen dürften sich um plus 13, 14°
Celsius bewegen. Mein Name ist Hans-Peter Hahn, ARD-Studio Hamburg. Guten
Morgen, meine Damen und Herren. Zu meiner Rechten rauschen die Nordseewellen,
zu meiner Linken gackern die Hühner, doch die Idylle trügt. Seit den frühen
Morgenstunden wird dieser Ort von Einheiten der Polizei und des
Bundesgrenzschutzes belagert. Ist dieses massive Aufgebot gerechtfertigt, um
ein paar alte Frauen einzuschüchtern? Oder steckt womöglich mehr dahinter? Das
Gebiet ist weiträumig und hermetisch abgeriegelt. Zurzeit haben wir noch keine
Informationen über den Stand der Dinge. Nur einer Handvoll auserwählter
Journalisten ist es erlaubt, ausgestattet mit etlichen Sondergenehmigungen, von
der Ortsgrenze aus zu berichten. Unzählige Hubschrauber überfliegen dröhnend
das Gelände. Bereitschaftsfahrzeuge von Feuerwehr und Notdienst rasen pausenlos
an mir vorbei. Ich erkenne in einem der mir entgegenkommenden Kleinbusse den
Leiter der Ermittlungen im Entführungsfall Wegner, Staatsanwalt Doktor Andreas
Schmid-Mertens aus München. Ich werde ver. . .
.
. . liebe Zuschauer, soeben höre ich Schüsse! Es wird geschossen . . .
Ich
bitte die kurze Unterbrechung zu entschuldigen. Mein Aufnahmeteam und ich haben
hinter einem LKW des Roten Kreuzes Schutz gefunden. Ich weiß nicht, ob Sie es
über unsere Mikrofone hören können: Es wird weiterhin
Weitere Kostenlose Bücher