Das Salz der Mörder
los mit dir? Ich habe dich erzogen wie
meine eigene Tochter. Warum vertraust du mir denn nicht? Die können sich das
gar nicht erlauben unser Haus in Schutt und Asche zu schießen. Du glaubst doch
wohl nicht allen Ernstes, dass die über fünfhundert Menschen abschlachten, und
das auch noch vor laufenden Kameras. Ich weiß, was ich tue. Nur durch die Macht
der Medien kommen wir hier alle heil heraus.
So,
jetzt nimm den Sprechfunk und sag diesen Möchtegern-Experten, was ich will.“
„Margot
und Elisabeth, bitte streitet euch nicht. Dafür ist im Moment keine Zeit. Wir
sollten uns um die Alten und Kranken kümmern. Ich habe da eine Idee. Bei der
Produktion meiner Kapseln, ging mir der rote Farbstoff aus. Wie ihr wisst,
konnte ich aus meinem toxischen Bestand exakt 1010 Dragees herstellen. Davon
sind 623 rot eingefärbt. Der Rest davon, 387 Stück, sind gelb. Vorläufig habe
ich bloß die Roten verteilt, die Gelben sind noch im Giftschrank. Wenn wir die
Alten und Gebrechlichen loswerden wollen, geben wir ihnen im Flugzeug – oder,
wenn du willst, vorher in der Gemeindestation - je eine gelbe Kapsel und sagen
das wäre wegen dem Druckausgleich oder der Flugangst oder sonst was. Was hältst
du davon, Margot?“
„Hervorragend,
Doktorchen! Das ist die Endlösung.“
Im
selben Augenblick fielen unter dem Büro der Bürgermeisterin Schüsse.
The outcome of
the American Civil War,according to a Confederate officer,was determined by
salt famine in the South. (Robert P. Mulhauf)
75. Stevens Flucht
David
parkte seinen Dienstwagen einige Straßen weiter. Das magische CD, das Corps
Diplomatique, dessen weiße Letter hoheitsvoll auf dem roten Nummernschild
glänzten, sollte seine diplomatische Wirkung erst später erweisen. Die letzten
Meter bis zum Gericht spazierten wir gemütlich im Gespräch versunken, wie
zufällig vorbeikommende Touristen. Auf dem weitläufigen Gerichtsgelände
angelangt, vorbei an gestikulierenden Menschen, vorbei an zahllosen
Rechtsanwälten in schwarzen Roben und strohfarbenen Hanfperücken, vorbei an
bedrohliche Polizeiuniformen, suchten wir das Gebäude, in dem sich der
Verhandlungssaal Nr. 14 B befinden sollte.
Der
ganze Komplex bestand aus mehr als zwanzig ein- und zweistöckigen
Steinbaracken. Geräuschvolle Kulisse einer unbekannten Gerichtsbarkeit. Überall
Anwälte mit ihren Mandanten, erregt aufeinander einredend. Gerichtsdiener mit
gigantischen Aktenbündeln hetzten vorüber. Das Chaos war perfekt. Ich sah das
Schild mit der Nummer 14 B zuerst. David und ich traten ein. Die Räumlichkeit
erinnerte mich an eine überfüllte Tagebaukantine irgendwo in der tiefsten
Niederlausitz. Jeder versuchte sich einen Sitzplatz zu verschaffen. Wem das
nicht gelang, sah ungeniert von draußen durch die offenen Fenster hinein, und konnte
auch aus dieser Perspektive den Verhandlungen ungestört beiwohnen. Wir hatten
inzwischen einen Platz gefunden, zwar weiter hinten, dennoch war jedes Wort gut
zu verstehen.
Unzählige
Rechtsanwälte spaßten bereits seit zwanzig Minuten auf ihren Bänken
miteinander. Sie begrüßten kommende und gehende Kollegen und erzählten sich
lachend Anekdoten über ihre Klienten. An einem kleinen Tisch, links vom
Richter, unterhielten sich zwei Polizisten sehr angeregt. Ich fragte David, was
denn die Bullen hier wollten. Er erwiderte, dass das keine Bullen, sondern
Prostecutors wären.
„Und
was sind Prostecutors, verdammt noch mal?“ Ich wurde ungehalten.
„Das
sind die Staatsanwälte“, flüsterte er.
„Und
die tragen Polizeiuniform?“
„Ja,
das siehst du doch“, sagte er etwas lauter.
Es
war exakt neun Uhr. Jemand klopfte mit einem ordinären Holzhammer dreimal auf
den Richtertisch.
„Order,
order, order!“ Alle Anwesenden erhoben sich von den Bänken und das Hohe Gericht
trat ein. Der Richter und seine beiden Beisitzer nahmen hinter drei
nebeneinandergestellten und mit Wachstuch bedeckten Plastiktischen Platz. Im
Vergleich zu der würdevollen Kleidung und dem seriösen Auftreten der
gesetzlichen Akteure, wirkte der Rest wie ein oberbayerisches Bauerntheater. Zu
David gewandt, sagte ich: „Also, weißt du, ich bin fast sechs Jahre in diesem
Land, aber so ein Kasperletheater habe ich noch nicht gesehen. Warum hast du
mich nie hierher gebracht? Scheint ganz lustig zu sein.“
„Nun
bist du ja hier. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand diesen Schweinestall
als Sehenswürdigkeit in einem Reiseführer erwähnen würde. Und wenn du das
lustig
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