Das Salz der Mörder
findest, dann warte ab, bis du Steven zu Gesicht bekommst. Er saß
immerhin über sieben Wochen im James Fort Prison.“
Obwohl
ich befürchtete, dass David recht haben könnte, glaubte ich besser zu wissen,
mit welcher Kraft und Zähigkeit Steven sein Leben zu verteidigen wusste. Er
hatte in Ghana alles erreicht, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Doch
bereits geraume Zeit vor seiner Verhaftung, schien Stevens stets strahlender
Optimismus verblassen zu wollen. Ich verstand nicht, wie all der Erfolg, den
Steven prophezeite und ich anfänglich belächelte, und sich dann tatsächlich
einstellte, ihn vollkommen ungerührt ließ. Er nahm es mit einer beispiellosen
Leidenschaftslosigkeit hin, dass wir stetig reicher wurden, ich hätte ihn
manchmal in die Fresse schlagen können. War er der Goldstadt Obuasi, war er
unserem Ashanti Gold House überdrüssig geworden?
Ich
schreckte hoch. Der Gerichtsdiener rief den ersten Fall auf. Im Saal trat
vollkommene Ruhe ein. Durch eine Hintertür neben dem Richtertisch wurden,
patrouilliert von sechs bewaffneten Polizisten, zwei halbnackte junge Männer in
den Verhandlungsraum geführt. Die Hände vor dem Bauch gefesselt, nur in
Unterhosen, ihre Rücken durch Peitschenschläge und Stromstöße in tiefes Rot
verfärbt - so traten sie vor das Hohe Gericht. Während der Verhandlung waren
unablässig die AK 47 der Bewacher auf die beiden Angeklagten gerichtet.
Gleichgültig las der Richter in den Vernehmungsprotokollen und fragte
anschließend die verängstigten Männer lächelnd: „Habt ihr heute Morgen gut
gegessen? Fühlt ihr euch wohl?“
Beide
nickten stumm und hielten die Köpfe gesenkt. Dann verlas einer der
Staatsanwälte in Polizeiuniform die Anklage. Die Männer sollen in einem kleinen
Dorf im Norden des Landes ein zwölfjähriges Mädchen getötet haben. Mit einem
Buschmesser trennten sie den Kopf des Kindes vom Rumpf. Danach schnitten sie
ihr die kleinen Brüste und die Vagina heraus. Diese Teile wollten sie für
religiöse Rituale benutzen. Durch die Beschwörungen eines Juju-Priesters, wären
die Männer nach einiger Zeit angeblich zu erheblichem Reichtum gelangt.
Ich
fragte David, was ein Juju-Priester ist, denn ich hatte bis jetzt nichts von
solchen Dingen gehört. Er meinte, dass Juju dasselbe wie Voodoo sei, und ob ich
meine ganzen Jahre in Ghana verschlafen hätte. Was sollte ich ihm darauf
erwidern? Ich sagte, dass ich das nicht wisse, aber von Voodoo hätte ich schon
was gehört. Das gab’s diesen tollen Film „Angel Heart“, mit Mickey Roukey und
DeNiro. Da wurden Hühner geschlachtet und mit dem Blut . . . Ich solle endlich
meine dämliche Klappe halten, befahl mir David.
Die
Eltern des Mädchens konnten bloß noch die spärlichen Überreste beerdigen. Der
Kopf der Kleinen wurde nie gefunden. Der Fetischpriester habe sich, wie ein
Gesetzeshüter felsenfest behauptete, bei den polizeilichen Untersuchungen vor
seinen Augen in Rauch aufgelöst. Selbst der ermittelnde Inspektor soll vor
lauter Angst davongelaufen sein.
„Glaubt
ihr an Gott?“ fragte der Richter. Abermals ein stummes Nicken. „Dann glaubt ihr
auch an Satan!“ Das Urteil: Tod durch Erschießen. Das war eine eindrucksvolle
Verhandlung: In weniger als fünf Minuten richtete man zwei Menschen vom Leben
zum Tode. Ohne Anwalt, ohne Zeugen, ohne Indizien. Jemand in den hinteren
Sitzreihen meinte, dass die meisten Stämme im Norden schlecht oder gar kein
Englisch verstünden. Ob die beiden Männer tatsächlich schuldig waren, wurde
überhaupt nicht bewiesen. Sie warfen sich unter flehendem Geschrei auf den
Boden. Ihre Bewacher rissen sie hoch und trieben sie unter heftigen Fausthieben
durch die Hintertür hinaus.
Ich
bekam es mit der Angst zu tun. Was wird dieser Richter in seiner Robe aus roter
Seide mit Steven veranstalten? David sah mich an. Wahrscheinlich wusste er, was
ich dachte. Er legte seinen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich:
„Unser Anwalt ist sehr gut, doch Stevens Steuersache ist nun leider mal ein
Fakt. Da kommen wir nicht drum herum. Ich habe den Anwalt noch nicht gesehen.
Er will versuchen den Richter mit fünftausend Dollar zu bestechen. Ich weiß
nicht, ob es ihm gelungen ist. Wenn nicht, kennst du ja unseren Plan. Es wird
schon alles schief gehen.“
Selbstverständlich
kannte ich unseren absurden Plan. Und angesichts tausend möglicher Pannen, die
dabei auftreten konnten, schien diese tollkühne Operation natürlich keineswegs
eine absolute Aussicht auf
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