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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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Leiter musste
besorgt werden, aber woher? Ich verlor die Beherrschung. Mit dem Hocker
zerschlug ich eine Fensterscheibe und schüttete das restliche Kerosin auf einen
Polsterstuhl im Gastraum. Dann schob ich die Streichholzschachtel auf. Bevor
ich alle Hölzer entzündete, sah ich mich noch einmal nach allen Seiten um.
Keine Menschenseele war zu sehen. Unter einem ächzenden Zischen schoss eine
gewaltige Stichflamme aus meiner Hand. Erschrocken durch den Feuerstrahl, warf
ich die brennende Schachtel auf die kerosindurchtränkte Stelle im Polster und
rannte wie vom Teufel gehetzt zu meinem Haus zurück.
    Ich
setzte mich wieder ins Wohnzimmer und beobachtete die gegenüberliegende
Straßenseite. Aber es geschah nichts. Fünf Minuten vergingen, zehn. Sicher
hatte das Kerosin nicht ausgereicht, um den Stuhl zum Brennen zu bringen. Das
war vielleicht auch besser so. Folglich brauchte ich von einer
Bewusstseinstrübung meinerseits nicht mehr zu reden. Abermals fing ich an über
die alten Zeiten nachzudenken. Dabei legte ich meinen Kopf müde auf die
Stuhllehne, schloss die Augen und begann allmählich vor mich hinzudämmern.
    Ich
erstarrte, als der brennende Dachstuhl durch die Fenster in meine Stube hinein
schien. Es zischte, knackte und puffte. Eine grauweiße Qualmwolke schwebte in
den nächtlichen Himmel empor. Blitzartig stand alles in Flammen. Unter
Wehklagen – so schien es mir - brach die Holzbaracke, die wir vormals
prahlerisch Ashanti Gold House nannten, unaufhaltsam in sich zusammen. Der
lichterlohe Feuerschein erhellte die ganze Umgebung. Ich presste meine Stirn
fassungslos gegen die Fensterscheibe, die von Sekunde zu Sekunde heißer wurde.
Was hatte ich nur getan? Wie leicht konnte das Feuer bei der zurzeit
anhaltenden Trockenheit auf andere Häuser überspringen, das Dorf vernichten,
den nahegelegenen Busch erfassen und das gesamte Waldgebiet in ein tödliches
Inferno verwandeln. Schattenhaft sah ich Gestalten durch den Qualm rennen.
Männer mit Äxten und Macheten schlugen auf unsere Kneipe ein. Frauen hatten
ihre Babys in großen Tüchern fest auf ihre Rücken gebunden, um die Kleinen
nicht schutzlos in den Hütten zurückzulassen. Aus Eimern, Krügen, Kannen und
Trögen schwappte das eilig herbeigeschaffte Löschwasser. Ihre Männer schütteten
es in die heiße Glut. Von überall wurde Wasser herangetragen. Ziegen, Hühner,
Katzen, Straßenköter: Sämtliches Getier war auf der Flucht vor den Flammen und
sprühenden Funken. Am schlimmsten war das bestialische Geschrei der Affen, die
unsichtbar im Busch verstört umherirrten. Eins, zwei, drei, vier Explosionen
erschütterten donnernd die frühe Nacht. Für einen kurzen Augenblick bebte der
Boden unter mir. Die vier Propangasflaschen aus der Gold-House-Küche waren in
die Luft geflogen! Alle Fensterscheiben meines Hauses fielen gleichzeitig in
sich zusammen. Egal. Mir war nur eines wichtig: Wie konnte ich meinen
kindlichen Unfug, dieses Feuer zu legen, wie konnte ich das beenden und
ungeschehen machen? Unerwartet drückten Windböen den Rauch nach unten, die
meterhohen Flammen flackerten nun fast waagerecht in Richtung Süden. Was das zu
bedeuten hatte, wusste ich. Ich wurde etwas ruhiger. Der stürmische Wind: so
wie er kam, verschwand er auch wieder. In der gleichen Sekunde öffneten sich
massive Wolkenbänke und die Regenzeit stürzte im richtigen Moment auf uns
nieder. In annähernd zehn Minuten war das Feuer restlos im Wasser ertrunken,
mein Kopf abgekühlt und an ein gigantisches Inferno nicht mehr zu denken. Ich
hatte abermals jemanden zu danken, als ich kurz davor war meinen restlichen
Verstand zu verlieren. O Herr, sei Dank!
    Im
stärksten tropischen Wolkenbruch, den ich jemals erleben durfte, stahl ich mich
in jener Nacht beschämt aus dem Dorf. Bis zur nächsten Busstation musste ich
kilometerweit durch den Busch irren. Durch das Laufen in dem übermäßig starken
Regen, kam ich wieder zur Vernunft.
    Um
in Ruhe über mein weiteres Leben nachdenken zu können, versteckte ich mich in
einem kleinen Dorf, weitab der hektischen Hauptstadt. Ohne fließend Wasser und
Strom, ohne Bars und Nachtleben, wohnte ich seit einiger Zeit mit Florence in
völliger Abgeschiedenheit bei ihren Eltern in der Nähe von Kpandu, nicht weit
entfernt von der Grenze zu Togo. Nur David kannte meinen Aufenthaltsort. Wir
lebten abseits jeglicher Zivilisation.
    Florence
trug ihr geblümtes Kleid. Die seidigen Falten umschlossen weich ihren zarten
Körper. Noch immer lagen wir

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