Das Salz der Mörder
im hohen Gras, umschwärmt von den summenden
Fliegen. Florence schmiegte sich an mich, und ich erklärte ihr behutsam, was
nach meiner Abreise aus Ghana für sie von Vorteil wäre. Sie weigerte sich
hartnäckig Dr. Webster in Accra aufzusuchen, um wieder bei ihm zu arbeiten. Sie
wollte das nicht. Sie wollte bei mir bleiben. Sie wollte meine Frau werden. Sie
wollte Kinder von mir. Sie wollte mit mir nach Deutschland. Sie wollte und
wollte und wollte . . ., hm . . ., aber nach Deutschland, wie soll das denn
gehen? Und außerdem hätte das alles David organisieren müssen. Ich konnte mich
bei den hiesigen Behörden nicht sehen lassen, das wusste sie doch. All das
versuchte ich ihr klarzumachen, in der Hoffnung, sie würde mich verstehen.
Nein, nein, wir hatten uns nicht gestritten, deshalb hatten wir uns auch nicht
zu versöhnen. Nein, nein, so war das nicht. Es war bloß - sie und ich wussten,
dass wir nie mehr gemeinsam - Arm in Arm - diesen verfluchten tiefblauen,
wolkenlosen Himmel betrachten würden.
Überraschend
stand sie auf und streifte ihr buntes Blumenkleid ab, das wie von Feen getragen
auf mich herab schwebte. Nun war sie nackt - nackt, wie beim aller ersten Mal.
Sie ging vier, fünf Schritte auf die Uferböschung zu, dann stürzte sie sich
plötzlich ins Wasser. Das hatte sie nie zuvor getan, weil sie nicht schwimmen
konnte. Ich war starr vor Entsetzen. Was war in sie gefahren? Wollte auch sie
diesen verdammten afrikanischen Himmel nicht mehr wiedersehen? Wollte sie das?
Wollte sie, dass düstere Wolken den tiefblauen Himmel verfinstern und sich bei
ihrem Untergang verflossen im Wasser widerspiegeln?
Ich
sprang hinterher und packte ihren nassen Leib, und packte ihn fester. Es war
keine Todesangst, die sie kreischen und um sich schlagen ließ. Nein, es war ein
Aufbegehren, ihr hoffnungsloser Versuch mich zu halten, mich an sie zu binden.
Der ruhig dahinfließende See geriet in Unruhe. Mit all meinen Kräften bemühte
ich mich sie ans Ufer zu bringen. Der Himmel verfinsterte sich und ein Schatten
schwebte über uns. Ungestüm krachte neben mir etwas ins Wasser. Jemand half mir
Florence zu bezwingen. Sie verlor zusehends an Widerstandskraft. Durch die
aufwogenden Wellen erkannte ich einen weißen Mann: David!? Tatsächlich, es war
David. Gemeinsam erreichten wir das nahe Ufer. Florence war bewusstlos. Wir
legten sie auf die Bastmatte. Ich deckte sie mit ihrem Seidenkleid zu.
„Sag
jetzt nichts“, beantwortete David meinen verzweifelten Blick. „Ich kann mir
denken, was passiert ist. Ich verstehe die Kleine. Doch sie hat dich genauso zu
verstehen. Du musst auf dem schnellsten Wege Ghana verlassen! Hörst du mir zu?
Sonst gehst du für mindestens zehn Jahre in den ghanaischen Knast - hard
labour. Weiß sie das? Und vor allem: Weißt du das? Die haben herausbekommen,
dass du dich bei ihren Eltern aufhältst und sind unterwegs hierher. Einer
meiner Mitarbeiter informierte mich gestern Abend darüber. Ich bin die halbe
Nacht gefahren, um dich noch zu erreichen, bevor die Polizei hier eintrifft.
Florences Vater hat dich verpfiffen. Du musst verschwinden. Pack deine sieben
Sachen. Dein Urlaub am Arsch der Welt ist bis auf Weiteres beendet. Wir fahren
über Golokuati nach Dafor. Dort kommen wir unbemerkt über die grüne Grenze nach
Togo. Ehe die hier sind, sind wir längst über alle Berge. In Lomé setze ich
dich in einen Flieger, und du wirst in zwei, drei Stunden in Abidjan sein.
Während du wochenlang in der Sonne gelegen hast, habe ich deine Dollars von der
Standard Chartered Bank geholt und die Treasure Bills bei der Bank of Ghana
eingelöst. Meine selbstverständlich auch. Steven gab mir sämtliche Unterlagen
und Vollmachten. In meinem Diplomatengepäck brachte ich alles nach Abidjan.
Steven und ich haben den ganzen Zaster auf mehrere Banken in der Nähe des
Flughafens deponiert. Unser Geld ist somit für die ghanaischen Behörden unerreichbar
geworden. Wir werden also in den nächsten dreißig bis vierzig Jahren nicht
verhungern. Steven wollte nur zweitausend Dollar, weiter nichts. Ich verstehe
ihn nicht mehr. Er benimmt sich neuerdings so seltsam. Sonst geht es ihm soweit
recht gut.
Es
wird bestimmt besser sein, Florence nicht aufzuwecken. Lass sie liegen und denk
an dich, denn wie es scheint sind ihre Eltern gegen eure Beziehung. Versuch sie
alle zu vergessen. Deine Zukunft liegt jetzt in Deutschland. Na dann, los!“
78. Eine Hörfunkreportage
„Wir
befinden uns wieder in Wusterwalde. Der
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