Das Salz der Mörder
mir durch den Kopf, während ich Davids Wagen nachblickte.
Dann
hieß es endlich anschnallen. Sicher fühlte ich mich nicht, mein Magen rebellierte
leicht. Der klapprige Flieger hatte einiges zu tun, um über Togos Hauptstadt an
Höhe zu gewinnen. Erst als sich der Flug stabilisierte, kam auch mein Magen
wieder zur Ruhe.
In
der gleichen Höhe, in der die holprige Kiste schwebte, schwebten meine Gedanken.
Mittlerweile hatten wir Tema erreicht, in einigen Sekunden würden wir Accra
überfliegen. Unter mir sah ich den Beach von Labadi, an dem ich so manche freie
Stunde verbrachte. Das waren Erinnerungen, die wie Hammerschläge auf mich
einwirkten: Ein Glas eiskaltes Bier gemixt mit Coca Cola in meiner Rechten und
mit der Linken auf ferne Ziele weisend. Immer schattig unterm bunten
Sonnenschirm. Steven, sich neben mir im Liegestuhl räkelnd, nickte mir zu, wenn
mich die Kellner mit der ständig lästigen Frage konfrontierten: „Can I call a
woman for you?“ Käufliche Mädchen, mit denen man sich für eine Tagespauschale
von zwanzigtausend Cedis, sprich DM 7, -, in eines der feuchtwarmen Zimmer des
„Calypso-Surf-Club“ vergnügen konnte. Dabei erinnerte ich Steven an einen
Ausspruch von Pablo Picasso, der mir in diesem Zusammenhang sehr passend
erschien. Denn jener sinnierte einst weise: „Es gibt nichts, was einem Pudel
ähnlicher wäre als ein Pudel, und das gilt genauso für Frauen“. Wir lachten uns
halbtot darüber. Steven deutete Picassos Maxime als frauenfeindlich. Denn wenn
Frauen ununterscheidbar wären, hätte man beim Bumsen keine Abwechslung mehr –
eine Ungeheuerlichkeit, sich das vorstellen zu müssen. Ich war der gleichen
Auffassung.
Dann
war da noch unsere kleine deutsche Kommune, die sich jedes Wochenende auf der
„Bamboo-Terrasse“ eintraf. Wir waren ein buntgemischtes Völkchen aus
verkrachten oder nicht verkrachten ost- und westdeutschen Existenzen. Wir
tauschten die lokalen, wöchentlichen Neuigkeiten aus, tranken Unmengen von Bier
und spielten stundenlang Skat. Wenn es zu heiß wurde, sprang man kurzerhand in
die tosenden Fluten des Atlantik. Kurz gesagt: Am Beach waren wir Deutschen
unter uns, Prost.
Vor
meinem Gedächtnis spulte sich das erstes Rendezvous mit Florence ab, so als
wäre es gestern: Wir trafen uns, wie verabredet um sieben Uhr abends am
Danquah-Circle in Osu vor Kwatsons Shopping Centre - mein dritter Tag in Ghana,
das heißt, in Accra. Das muss man sich einmal vorstellen: Steven liegt im
Krankenhaus und will Goldgräber werden und ich bin hinter seiner
Krankenschwester her.
David
steckte mir an jenem Nachmittag - ohne dass ich es bemerkte - heimlich Geld zu,
weil er wusste, meine Taschen waren leer. Von meiner nächtlichen Verabredung
mit Florence konnte er bestimmt nichts wissen.
Sie
trug an diesem Abend ein hübsches, geblümtes Kleid mit einer kupfernen Brosche,
die ihr Dekolleté zusammenhielt. Vermutlich wirkte ich verstörter als ein
verschreckter Realschüler. Bei unserer Begrüßung brachte ich außer „Good
Evening“ kaum ein Wort heraus. Unbeholfen schenkte ich ihr eine Schachtel
Pralinen mit Nougatfüllung, die bei den Temperaturen unterdessen fast
geschmolzen waren. Während meiner ersten Tage in Ghana kam es mir vor, als
würde nur ich schwitzen. Und das war sicherlich der ausschlaggebende Grund
dafür, dass Florence sagte: „First let‘s go to ‚Aquarius‘. That’s a new German
Pub. You will like it.“ Da ich nichts über Accras Nachtleben wusste, sagte ich
einfach ja, obwohl ich nicht unbedingt in Schwarzafrika in einer deutschen
Kneipe sitzen wollte. Womöglich lungerten dort Landsleute von mir herum. Egal,
ich vertraute auf ihren Instinkt und Sachverstand. Und ich wurde nicht
enttäuscht. Im Vergleich zu dem, was ich bis jetzt kannte, wirkte diese
germanische Enklave wie eine kleine Sensation auf mich. Dort pusteten
gleichzeitig mehrere funktionierende Klimaanlagen kalte Luft durch die
Räumlichkeiten. An den vier Pool-Billard-Tischen, die ich wahrnahm, herrschte
Hochbetrieb. Ich hatte nicht die geringste Chance einen Queue zu ergattern. Das
war auch besser so, denn wie die Typen spielten, hätte ich mich vor Florence
nach allen Regeln der Billardkunst blamiert.
Okay,
das Aquarius war zwar kein Nightclub, wie ich erwartet hatte, aber ich bekam
erstmals etwas Genießbares in diesem Land zu essen. Ich studierte aufmerksam
die Speisekarte. Die hatten sogar Eisbein mit Sauerkraut, was leider preislich
sehr hoch veranschlagt wurde. Zu jenem
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