Das Salz der Mörder
Gold
House zu retten, was noch zu retten war. Doch diese heroische Idee stellte sich
als ein fataler Fehler heraus. Seitdem Zusammenbruch unserer Firma und dem
mysteriösen Verschwinden des Managing Directors Mr. Steven Smiley, wurde auch
nach seinem Stellvertreter, wurde auch nach mir gefahndet. Demzufolge war
nichts mehr zu retten. Ich wusste nicht, was ich tun konnte. Aus reiner
Verzweiflung beging ich eine reine Verzweiflungstat. Mir war klar, in Accra
durfte ich mich nicht blicken lassen, deshalb stieg ich bereits in Cape Coast
aus dem Überlandbus aus, der dann ohne mich in die Hauptstadt weiterfuhr. Bis
zum Ortseingang von Obuasi mietete ich mir ein Taxi. Die letzten Meter lief ich
zu Fuß. Ich schlich neben der Straße durch das dichte Gestrüpp.
Als
ich unser verlassenes Haus erreichte, konnte ich davon ausgehen, dass mich
niemand gesehen hatte. Es war noch hell. Ich riss die Polizeisiegel ab, brach
das verrostete Vorhängeschloss auf und trat die Tür zu meinem vormaligen
Zuhause ein. Kunstwerke aus Spinnweben empfingen mich. Kiloweise musste ich sie
aus meinen Haaren zupfen.
Ich
ging in das kleine Wohnzimmer, stellte einen Stuhl ans Fenster zur Straße,
setzte mich und wartete die Dunkelheit ab. Nun hatte ich genügend Zeit unser
Ashanti Gold House eingehender zu betrachten. Und ich sah die alten Zeiten, sah
unsere einstigen Gäste rein- und rausgehen, rein- und raustaumeln, mit oder
ohne Frauen. Was hatte Steven damals gesagt: nur Verrückte, kaputte Gestalten,
harte Burschen, Raufbolde, Abenteurer, Engländer, Australier, Amerikaner. Alle
standen sie wieder vor mir, und die goldene Gold-House-Ära überwältigte mich.
Ich erwog, meine Erinnerungen zu verdrängen, denn ich hatte anderes im Sinn als
in Nostalgie dahinzudämmern.
Ich
merkte, dass mein Herz anfing zu arbeiten: fühlte es pochen, spürte es
kräftiger schlagen. Anscheinend floss mein Blut schneller durch meinen
verkrampften Körper, als ich unsere alte Gegend, unsere alte Heimat, diesen mit
Schaufelbaggern und Caterpillars ausgeraubten Flecken tropischen Regenwaldes
wiedersah.
Hinter
dem Ashanti Gold House versank langsam die purpurfarbene Abendsonne. Die
verstaubten Straßen waren menschenleer. Obuasi schien ausgestorben zu sein. Monatsende
– überlegte ich. Nachdem unsere goldene Quelle versiegt war, überfielen die
meisten weißen Wüstlinge erneut Accra, und trieben dort wieder ihr Unwesen.
Bestimmt werden sich bald Nachfolger für unseren Laden einfinden - bei diesen
Verdienstmöglichkeiten. Doch darüber dachte ich nicht nach. An jenem Abend ging
mir so manches durch den Kopf, und irgendwann kam es dann zu einer
Bewusstseinstrübung.
Unterdessen
war es dunkel geworden. Ich tastete mich in die Küche, suchte eine leere
Bierflasche und einen Plastiktrichter. Danach öffnete ich den Schraubverschluss
unseres Kerosinkochers und goss seinen spärlichen Inhalt vorsichtig in die
Flasche. Ich brauchte ein Feuerzeug. Ich hatte aber keines. Nach meinem
„Kuwait-Erlebnis“ fragte ich nie wieder nach einer Zigarette. Denn das einzig
positive Resultat dieses nahöstlichen Martyriums war nämlich: ich wurde zum
Nichtraucher, und blieb es seitdem. Wofür benötige ich also ein Feuerzeug?
„Manchmal frage ich wahrscheinlich zu viel, manchmal quatsche ich auch zu viel,
doch jetzt brauchte ich unbedingt Feuer.“ Ich sprach zu mir selbst. Das tat ich
ja meistens, wenn ich mich nicht zurecht fand oder eine gewisse Situation nicht
bewältigen konnte. Zum Glück fand ich eine Schachtel Streichhölzer hinter einer
zersprungenen Keramikschüssel auf dem eingestaubten Küchenschrank, der schwach
durch den Schein einer Laterne erhellt wurde, die von der Straße aus in den
beengten Raum leuchtete.
Wie
man einen Molotow-Cocktail bastelte, wusste ich nicht genau, darum versuchte
ich es erst gar nicht. Ich wollte auf Nummer sicher gehen. Mit meinen
brennbaren Utensilien in der rechten Hand und einem Holzschemel auf der linken
Schulter stürmte ich im Schutz der Dunkelheit auf die andere Straßenseite.
Nervosität oder Ungeschicklichkeit, was soll ich sagen, jedenfalls bekippte ich
mir mit dem leicht entflammbaren Zeug Hemd und Hose. Die Flasche war mit einem
Mal halb leer. Verflucht, jammerte ich, während sich stinkende Gase an mir
empor verflüchtigten. Trotzdem stellte ich den Hocker an die Rückseite unserer
ehemaligen Kneipe, um auf das Strohdach zu steigen. „So blöd kann nur ich
sein“, knurrte ich, denn der Schemel war nicht hoch genug. Eine
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