Das Salz der Mörder
als
Schießscharten benutzt werden konnten. Das hatte den Vorteil, dass man bei
gepanzerten Polizeiausrüstungen ungehindert in den weniger geschützten
Schulter- und Rückenbereich schießen konnte. Und so geschah es auch. In einer
Zeitspanne von etwa fünf Sekunden starben zehn junge Männer im Alter von 24 bis
31 Jahren. Ein Elfter, der außerhalb des Foyers die Geiseln beschützte, konnte
sich schwerverletzt in Sicherheit bringen. Nach diesem Desaster rannten die
restlichen neun Geiselbewacher hinter die schützenden Panzerwagen zurück und
warteten auf weitere Befehle. Um die Konfrontation zwischen der Wusterwaldeer
Sekte und den Verantwortlichen der Ermittlungsbehörde auf die Spitze zu
treiben, ließ die Hansen einen Abtransport der toten Beamten aus dem Foyer
vorerst nicht zu. Wie man später feststellte, wurde aus den Waffen der
Polizeieinheit keine einzige Patrone abgefeuert.
Immer
noch rätselte man darüber, wer den verhängnisvollen Befehl zur Erstürmung des
Weißen Hauses gegeben hat. Da sich der leitende Staatsanwalt Dr. Schmid-Mertens
zu diesem Zeitpunkt in München aufhielt, hatte man in dessen Abwesenheit einem
stellvertretenden Staatsanwalt vom Kieler Oberlandesgericht die Leitung des
Einsatzes übertragen. Dieser wiederum weist jede Schuldzuweisung entschieden
von sich und fühlt sich obendrein für den Tod der zehn jungen Polizisten nicht
verantwortlich.
„Ich
habe während meiner zweitägigen Leitung dieser Operation nicht einen einzigen
Befehl erteilt, geschweige denn einen Schießbefehl.“
„Dann
erschienen Sie wohl nur zum Kaffeetrinken vor Ort?“ fragte ihn ein aberwitziger
Journalist bei einer Tasse ‚Jacobs Krönung’.
Die
schockierenden Bilder des tragischen Schusswechsels im Weißen Haus von
Wusterwalde wurden von einem Hamburger Fernsehteam aufgezeichnet und am selben
Abend auch von BBC und CNN weltweit ausgestrahlt. Die Kommentare zu diesen
Aufnahmen bestanden von A bis Z aus Sprachlosigkeit.
In
seinem Herrenhaus auf der Fazenda Veronica auf der anderen Seite des
Atlantischen Ozean verfolgte Manfred Wegner das Nachrichtenprogramm des
einheimischen Fernsehens. Im Anschluss des kurzen Beitrages über Deutschland
sagte er fassungslos zu sich: „Das habe ich nicht gewollt.“
Aus
seinen Aufzeichnungen geht eindeutig hervor, dass er durch die Preisgabe der
Sekte um die Hansen, den Druck auf den Staatsapparat verdoppeln wollte. Er
wusste, die Hansen würde niemals klein beigeben und sich in eine Nervenklinik
einweisen lassen - sie würde kämpfen. Gleichzeitig sollte seine Frau Veronika
ständig durch sämtliche Fernsehkanäle geistern und um Menschlichkeit betteln.
Es
steht zweifelsfrei fest, dass Manfred Wegner kein Blutvergießen für seine Ziele
in Kauf nehmen wollte. Doch nach seiner Androhung abgeschnittene Körperteile zu
verschicken und der jüngsten Schießerei im Weißen Haus, würde das deutsche
Fernsehpublikum nicht mehr in der Lage sein klar zu denken – das wusste er
jetzt. Die Rufe nach einem starken Mann wurden immer lauter. Es musste eine
Entscheidung von oberster Stelle getroffen werden, und zwar sofort.
Würde
die Bundesregierung nachgeben und die Forderungen der beiden Verbrecher
erfüllen?
Wenn Gott nicht
gewollt hat, dass wir Salz und Fett essen, wieso hat er dann dafür gesorgt,
dass beides so gut schmeckt. (Harry Angstrom)
77. Zukunft Deutschland
Bevor
ich zurück nach Deutschland flog, bevor ich auf dem Flughafen in Abidjan die
Air France Maschine nach Paris bestieg, bevor ich die näheren Umstände von
Stevens Tod erfuhr, bevor ich Ghana Hals über Kopf verlassen musste, bevor es
mir überhaupt bewusst wurde, was ich mit diesem ganzen Geld und meiner Zukunft
anfangen sollte - bevor alledem, lagen wir im hohen Gras, umschwärmt von
summenden Fliegen und sahen gedankenversunken in den tiefblauen, wolkenlosen
afrikanischen Himmel.
Florence
ahnte, dass ich sie bald verlassen würde. Jawohl, sie ahnte und ich wusste es.
Noch teilten wir uns die kleine Bastmatte und eine Flasche lauwarmes Bier. Wie
oft hatten wir hier schon gelegen, in diesem hohen Gras, auf diesem
handgeknüpften Stück Pflanzenfaser am Ufer des Volta Lake, dem wahrscheinlich
größten Stausee der Welt, um wortkarg in Erinnerungen zu schwelgen, oder stumm,
jeder für sich, mit dem grenzenlosen Blick zum Firmament die Zukunft planend.
Ja, fast stumm waren wir, denn es gab nicht viel zu erzählen.
Nach
meiner Rückkehr von der Elfenbeinküste versuchte ich von unserem Ashanti
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