Das Salz der Mörder
ausschließlich das Wohl der friedliebenden
Menschheit am Herzen, die freilich durch drastische Selektionen in Gut und Böse
auserlesen werden muss. Wussten Sie eigentlich, dass nach dem hinduistischen
Glaubensbekenntnis Frauen keine Seele haben? So betrachtet könnten Sich mich
ungestraft töten und mein Fleisch essen.“
Diese
Frau irritiert mich zusehends. Ich zweifle allmählich wirklich an ihrem
Verstand. Durch ein Kopfnicken fordert sie mich auf, die nächste Frage zu
stellen.
„Darf
ich Sie fragen, woher Sie Ihre Waffensammlung haben? Wenn ich Ihre Dienerinnen
betrachte, so sind diese besser ausgerüstet als der teuerste private
Sicherheitsdienst in Hamburg.“
„Die
älteren Exemplare sind Erbstücke meines verstorbenen Vaters aus dem Zweiten
Weltkrieg. Die neueren Waffen habe ich mir aus Belgien anliefern lassen.“
„Und
wozu brauchen Sie dieses ganze Waffenarsenal?“
„Na,
hören Sie, das sehen Sie doch selbst. Da ich wusste, eines Tages wird es zu
einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen meiner gottesfürchtigen Gemeinde
und der weltlichen Administration kommen, habe ich mich natürlich rechtzeitig
auf eine Konfrontation vorbereitet.“
„Was
ist das ‚Goldene Zeitalter‘? Werden Sie dort weiterhin Waffen zu Ihrer
Selbstverteidigung benutzen?“
„Zu
Frage eins: Das Goldene Zeitalter ist das endzeitliche Heil. Alle früheren
Qualen werden vergessen und aus unseren Köpfen entschwunden sein, denn ich
erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Mein Volk wird sich freuen und
jubeln über das, was ich erschaffen werde. ‚Niemals mehr wird man lautes Weinen
hören oder lautes Klagen. Kein Säugling wird sterben und die Alten werden ihr
volles Alter erreichen. Wer als Hundertjähriger stirbt ist noch jung. Unsere
Arbeit wird nicht mehr vergebens sein. Wir bauen uns unsere Häuser und leben
darin, wir pflanzen Reben und werden ihre Früchte genießen. Unsere Nachkommen
sind Gesegnete und ihre Nachkommen zusammen mit ihnen. Wolf und Lamm weiden
zusammen, der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Es wird nichts Böses mehr geben
und keiner begeht ein Verbrechen’. Unsere ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig
auf das Offenbarwerden der Kinder Babas. Wir wollen einander lieben, denn die
Liebe kommt von Baba. Derjenige, der liebt, hat Baba erhört und seine
unermessliche Kraft empfangen. Wer nicht liebt, ist tot. Baba ist Liebe. Baba
ist Leben. Baba ist unser Heil. Zu Frage zwei: Ich glaube, wenn Sie das
Vorhergehende richtig verstanden haben, ist es nicht mehr nötig Ihre zweite
Frage zu beantworten.“
„Was
ist ein ‚regulum taciturnitas‘?“
„Mit
einem regulum taciturnitas betitelt man ein Schweigegelübde. Ich nehme an, Sie
beziehen diese Frage auf Herrn Wegner. Ich ließ Herrn Wegner und seine junge
Tochter seinerzeit solch ein Gelübde unterzeichnen, da es in unserem
beiderseitigen Interesse lag Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Herr Wegner hatte
in unserem Dorf einen folgenschweren Autounfall, bei dem er und seine Tochter
lebensgefährlich verletzt wurden. Nach den langwierigen Behandlungen der beiden
in unserer Gemeindestation und der aufwendigen Reparatur seines
Kraftfahrzeuges, kamen wir zu dem Kompromiss, uns gegenseitig keine Schuld
zuzuweisen und Kostenansprüche zu stellen. Leider konnte ich nicht voraussehen,
dass sich dieser Herr nicht an unsere Abmachungen halten würde. Im Gegenteil:
Er verbreitet abstruse Lügen und verfälscht bewusst Sachverhalte zu seinem
Gunsten. Doch auch er wird sich zu verantworten haben und einer himmlischen
Bestrafung nicht entgehen können. Es war dies das erste Mal in meiner Laufbahn
als Psychologin und promovierte Philosophin, dass mich jemand in solch einer
Art und Weise belogen und betrogen hat. Selbstverständlich verzichte ich darauf
diesen Herrn wegen Verleugnung zu belangen. Dafür ist mir dieser Mensch zu
unbedeutend. Wie man hört, hat er sich mit seinen Kindern aus Deutschland
abgesetzt?“
„Das
ist richtig, und überdies gründete er seine eigene religiöse Gemeinschaft, die
wohl der Ihren sehr ähneln soll. Sie nennt sich ‚Neue Generation’. Auch er will
in ein Goldenes Zeitalter übersiedeln, das bei ihm allerdings ‚Freie Ära’
heißt.“
Unvermittelt
bricht es aus Hansens Halbschwester heraus. Anfangs zaudernd, dann provozierend
und zynisch. „Jetzt siehst du es ja selbst, was du angerichtet hast! Ich habe
dich von Anfang an vor ihm gewarnt, Margot. Glaubst du mir nun endlich? Du hast
dich von diesem Wegner um den
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