Das Salz der Mörder
eventuell eingebaute
Verzögerungsmechanik nicht doch noch zu einer Explosion führen könnte. Wie
folgende Untersuchungen ergaben, waren keine zusätzlichen Tötungstechniken
vorhanden.
Nun
hatte die Tauchergruppe der Feuerwehr ihre Aufgabe zu erfüllen, allerdings
sperrte man zunächst den Brunnen weiträumig ab. Wieder ließ man den Heerscharen
von Kamerateams genügend Zeit, um sich gute Aufnahmemöglichkeiten zu suchen.
Zusätzlich gab es eine seltene Attraktion: Das Weiße Haus stand für alle
präsenten Medienvertreter offen. Zum ersten Mal wurden die leitenden Ermittler
für ihre Öffentlichkeitsarbeit von den Informationsträgern überschwänglich
gelobt und gefeiert. Es stellte sich bekanntlich erst später heraus, dass
während der Öffnung des Brunnens kein einziger leitender Beamter gegenwärtig
war.
Zwei
Taucher standen bereit und warteten auf ihren Einsatzbefehl. Nachdem jedoch
verwundert festgestellt wurde, dass sich im Brunnen kein Wasser befand, rief
man die Experten der GSG 9. Die ließen zu-nächst eine Spezialkamera mit
Infrarotscheinwerfer an einem Drahtseil in den Abgrund gleiten. Als die Marke
an der Metallschnur zwölf Meter erreichte, setzte die Kamera auf dem Boden des
Schachtes auf. Es war genau sechzehn Uhr dreißig - auf dem Monitor wurden die
ersten Bilder sichtbar. Allerdings sah man nichts. Die Kamera schwenkte
automatisch um 360°. Außer einer grobkörnigen, weißgrauen Masse, konnte niemand
etwas identifizieren. Um sich Klarheit zu verschaffen, wurde ein Bundesgrenzschützer,
ausgerüstet mit Sprechfunkgerät und Feldspaten, in das Innere abgeseilt. Unten
angelangt, schaufelte der Grenzer die granuläre Substanz auf eine Seite der
runden Ummauerung und kam dadurch beinahe einen halben Meter tiefer. Oben am
Monitor verfolgten die Einsatzteams aufmerksam das Geschehen auf dem Grund des
eigenartigen Brunnens. Durch den kleinen Lautsprecher des Funkgerätes drang ein
Rauschen, dann: „Ich habe soeben ein menschliches Bein freigelegt.“ Man
erkannte nicht viel auf dem flimmernden Bildschirm. „Hier liegt eine völlig
unversehrte Leiche, darunter sehe ich eine zweite. Ich komme so nicht weiter.
Bitte, zieht mich hoch.“ Oben angelangt, erstattete der junge Mann Meldung:
„Ich habe zwei Leichen freigegraben. Kein Geruch, keine Verwesung, gar nichts.
Der Brunnen ist vollständig mit Salz gefüllt.“
Die
Ermittler sahen den GSG 9 Beamten ungläubig an. Sollte es tatsächlich wahr
sein, was sich seit langem die Medien zuraunten: Die Hansen hätte ihre Toten
eingepökelt wie der Metzger sein Fleisch?
„Ja,
im Brunnen ist ganz normales Speisesalz. Ich habe diesen feuchten Geschmack im
Mund. Ich kann nicht sagen, ob es noch tiefer geht. Jedenfalls liegen dort
unten mindestens zwei Leichen, und um Weiteres zu ermitteln, müsste das Salz
entfernt werden. Übrigens verbreitert sich der Brunnen nach unten hin konisch.
Ich schätze den unteren Durchmesser auf mindestens zwei Meter. Ich meine, die
Grundfläche ist ziemlich groß.“
Die
technische Bereitschaft brachte das erforderliche Bergungsgerät herbei. Ein
Autokran wurde über die Öffnung des Brunnens platziert. Für die Beseitigung der
Unmengen von Salz standen verschiedenartigste Behältnisse zur Verfügung. Ein
langes Förderband musste organisiert werden. Als alles vor Ort bereit stand,
machte jemand den Vorschlag, dass man, anstatt das nasse Salz per Hand in die
Förderkörbe zu schaufeln, eine spezielle Absaugvorrichtung einfacher zu
betätigen, außerdem nicht so zeitaufwendig und wesentlich effektiver sei. Ein
Dritter gab zu bedenken, ob sich der überhöhte Aufwand überhaupt lohne. Mit
mehr als drei oder vier Toten wird doch wohl kaum zu rechnen sein. Man bedachte
das Für und Wider und einigte sich schließlich auf die Absaugmethode, denn man
weiß ja nie. Es vergingen weitere zwei Stunden, um die entsprechenden Gerätschaften
herbeizuschaffen. Es war mittlerweile zwanzig Uhr geworden. Um den Vorplatz
wurden riesige Scheinwerfer aufgestellt. Man ging davon aus, dass die
aufwendigen Bergungsarbeiten bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages
in Anspruch nehmen würden. Da es sich bei dieser Rettungsaktion nicht um
Lebende handelte, ließ man sich für die Vorbereitungen weitaus mehr Zeit als
gewöhnlich. Kurz vor Mitternacht spuckte der absaugende Hochdruckschlauch die
ersten feuchten Klumpen Speisesalz auf den hell erleuchteten Vorplatz des
Weißen Hauses.
Pfingstsonntag,
null Uhr vierzehn: Die erste Leiche
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