Das Salz der Mörder
Sendeanstalten mit
ihren jeweiligen Programmen, alle Frequenzen und Sendezeiten.
„Mutti,
Mutti komm schnell! Wir sind im Fernsehen. Die wiederholen ‚Aktenzeichen XY’.
Verdammt, ich habe zu spät eingeschaltet. Die zeigen Fotos von uns. Weißt du
was davon? Nun komm doch mal! Jetzt bringen die einen völlig zerkratzten
Schwarzweißfilm, sogar mit Ton! Vati steht auf einer Bühne und spielt Gitarre.
Die Massen grölen. Über die alten DDR-Zeiten sprechen sie. Uniformierte, und
Honecker mittendrin – was hat denn das mit uns zu tun? Hat Vati etwa auch für
den Honecker gespielt? Wie lange duschst du denn schon wieder? Mutti, so komm
doch endlich?“
Leider
kam Frau Wegner erst, als der Abspann der Sendung bereits lief. Wie gern hätte
sie ihren Freddy noch einmal Gitarre spielen gesehen. „Dein Vati war ein guter
Musiker, weißt du? Nein, er hat nie für Honecker und seine Bonzen gespielt, da
kannst du ganz gewiss sein. Ich müsste das wissen. Das hat man bestimmt in den
Film hineingeschnitten. Aber komm, lass uns gehen. Wir werden erwartet.“
Dann
saßen sie wieder in der Empfangshalle des Hotels, doch diesmal nahm ein Herr
Petersen ihnen gegenüber Platz. Er war Ende dreißig, gut gekleidet, schien ein
sportlicher Typ zu sein und kam hauptsächlich nach Sankt Peter-Ording, um sich
ausführlich mit Frau Wegner zu unterhalten. Herr Gunther Petersen war
Oberinspektor beim Landeskriminalamt in Kiel. Frau Wegner überreichte ihm die
Wochenendausgabe der Itzehoer Nachrichten vom 23. August.
„Wer
hat das schreiben lassen? Haben Sie die verfälschten Informationen an diese
Pressefritzen weitergegeben? Haben Sie? Ich warne Sie! Morgen trifft mein
Anwalt aus München ein. Ich verlange eine sofortige öffentliche
Gegendarstellung! Seit fast vierzehn Tagen warte ich auf Sie. Ihre Kollegen aus
Itzehoe vertrösteten mich unaufhörlich mit absonderlichen Ausreden.“ Frau
Wegner war außer sich.
Oberinspektor
Gunther Petersen vom LKA Kiel stellte sich erst einmal in aller Form vor.
Obwohl, die folgende Unterhaltung dauerte nicht lang, denn der Oberinspektor
tat sehr geschäftig und erklärte das mit neuen Erkenntnissen, die er erst
kürzlich aus Kiel übermittelt bekommen habe. Immerhin verfolge man jetzt zwei
Spuren. Die eine Spur beziehe sich auf einen Entführungsverdacht. Die zweite
ist vorerst noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Daher müsse er sofort
nach Itzehoe, um die dortigen Kollegen zu verständigen und verschiedene
Anweisungen erteilen. Er werde allerdings gegen Abend zurück sein und sich dann
intensiver mit den privaten Verhältnissen der Familie Wegner beschäftigen. Auf
den Zeitungsartikel ging der Oberinspektor nicht näher ein, nur soviel, dass
dieses Provinzblatt keine nennenswerte Auflage habe. Sie vertreibt angeblich
zwischen 2.000 bis 3.000 Exemplare täglich, und das fiele wohl kaum ins
Gewicht. Außerdem hätten die ermittelnden Behörden – sie dürfe das enorme
öffentliche Interesse nicht unterschätzen, das angesichts ihres Falles bestehe
– der Presse gegenüber eine gewisse Auskunftspflicht. Sollten sich hingegen
durch falsche Berichterstattung oder möglicherweise verfälschte Einzelheiten
negativ auf die Interessen der Familie Wegner auswirken, können man das
Rechtsmittel der ‚Anzeige gegen Unbekannt’ einlegen.
„Frau
Wegner, ich danke Ihnen.“
22. Seezungenfilets mit
Champignons und Tomaten
Während
ich auf Maria und das Essen wartete, stand ich am Fenster. Durch die
Gitterstäbe betrachtete ich gedankenverloren die gegenüberliegenden Häuser.
Dahinter lag die gigantisch, endlos wogende Nordsee im abendlichen blaugrau.
Unmerklich ging die Sonne unter, dieser riesige Feuerball, der allmählich im
schläfrigen Meer versank und den westlichen Horizont unauffällig verfärbte. Ich
versuchte an nichts zu denken. Ab und an fasste ich zwischen meine Beine. Ich
war mir nicht sicher, ob sich dort noch etwas befand. Das Ding schmerzte
wirklich erbarmungslos. Erst als ich das leise Surren der beiden Türen wieder
hörte, kam ich zu mir, und stellte verblüfft fest, dass sie mich im zweiten
oder dritten Stock des Weißen Hauses gefangen hielten. Das war unbestreitbar
ein Fakt - es konnte gar nicht anders sein.
Maria
manövrierte einen Servierwagen durch die halboffene Schleuse und steuerte mit
dem Fahrzeug direkt auf den Tisch zu. Ich fühlte mich wie in einem Edelknast.
Sie platzierte das Essen und den Wein routiniert wie ein gelernter Oberkellner
um den dreiarmigen
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