Das Salz der Mörder
das für Leute?“
„Unsere
Bürgermeisterin erteilt Unterricht, hält Seminare ab. Sie schult Manager, Bosse
von großen Wirtschaftsunternehmen, Mediziner, Lehrer, Studenten, Ingenieure,
alle möglichen Geschäftsleute. Selbst Hausfrauen kommen zu uns und nehmen an
den Schulungen teil. Und alle zahlen sie dafür. Denken Sie vielleicht unser
kleines Dorf wäre in solch einem hervorragenden Zustand, wenn Frau Doktor
Hansen nicht die finanziellen Mittel dafür bereitstellen würde? Einige der
Teilnehmer haben sich uns angeschlossen und leben hier. Wir akzeptieren
ausschließlich weibliche Mitglieder in unserer Gemeinschaft. Tagsüber arbeiten
wir auf den Feldern und in den Ställen. Wir bauen vieles selbst an. Das Gemüse,
das wir nicht zum eigenen Bedarf benötigen, verkaufen wir auf dem Wochenmarkt
in Itzehoe, auch Eier und Milch, und unseren selbst gemachten Käse. Da wir
keine Tiere töten, veräußern wir sie gewinnbringend an die Bauern der Umgebung.
Nach der Arbeit treffen wir uns im Festsaal zu den Sinngebungen.“
„Entschuldige
bitte, aber was war denn eben mit den Fischen? Die lagen doch nicht lebendig
auf unseren Tellern.“
„Sie
sollten einmal versuchen in die Bibel zu schauen. Jesus füllte die Netze der
Fischer mit Fisch. Weswegen wohl? Um die Fische auszurotten oder um sie zu
verzehren? Schlagen Sie das Neue Testament auf und viele Fragen werden sich wie
von selbst beantworten. Jedenfalls gehen wir nach den Sinngebungen in unsere
Häuser, beten und warten auf Babas verheißungsvolle Anrufungen.“
„Was
sind ‚Sinngebungen‘?“
„Jeden
Abend von sechs bis sieben Uhr versammelt sich unsere Gemeinde zur Andacht und
zum gemeinsamen Gebet. Anschließend wird das Abendessen gereicht.“
„Und
wie hast du zu dieser Gemeinde gefunden?“
„Ich
war Medizinstudentin in Berlin. Frau Doktor Hansen hielt im Internationalen
Congress Center einen Vortrag über die Behandlung unheilbarer Krankheiten durch
geistige Energien. Bei Krebs ist das möglich, denn Krebs ist heilbar. Krebs ist
eine gewebliche Verfestigung, die auf Stauungen der aktiven und stofflichen
Energieverteilungen zurückzuführen sind. Zum überwiegenden Teil sind sie durch
emotionelle Stauungen bedingt. Man muss also nur die eigenen aktiven Energien
wieder in Bewegung bringen. Und Aids ist ja bekanntlich eine
Infektionskrankheit. Bei Infektionskrankheiten geht es doch nicht unbedingt
darum, den Erreger direkt zu bekämpfen, sondern den Körper so zu stärken, dass
er selbst diesen Erreger eliminieren kann.“
„Das
hört sich ja alles wirklich ganz einfach an“, erwiderte ich, und versuchte
dabei nicht die geringste Spur von Ironie in meine Worte zu legen. „Da fragt
man sich nur, weshalb anerkannte Wissenschaftler jahrelang ihre Zeit mit Grundlagenforschung
vergeuden, wenn es doch im Wesentlichen nur um die Stabilisierung der
körpereigenen Energien geht? Eine tolle Frau, diese Frau Doktor Hansen.“
„Nicht
wahr? Ich bin auch tief beeindruckt von ihr, von ihrer Persönlichkeit, der
leidenschaftlichen und selbstsicheren Ausdrucksweise, ihrem charismatischen
Wesen. Ich weiß nicht, irgendwie habe ich mich in sie verliebt. Mir ging es
damals nicht so gut. Ich hatte eine Unmenge privater Probleme zu bewältigen.
Mein jüngerer Bruder wurde plötzlich drogenabhängig und mein Vater machte mich
dafür verantwortlich. Er behauptete, als Medizinstudent hätte ich zuallererst
erkennen müssen, dass mit dem Kleinen etwas nicht in Ordnung sei, und warf mich
mit Sack und Pack aus dem Haus. Daraufhin erlitt meine Mutter einen
Nervenzusammenbruch und ist seitdem kaum noch ansprechbar. Ich wusste nicht
wohin. Eine Studienkollegin nahm mich vorübergehend auf. Infolge meiner
familiären Schwierigkeiten, ließen auch meine Leistungen während des Studiums
deutlich nach. Mein Freund hielt es nicht mehr aus und trennte sich von mir.
Ich ging nicht mehr zur Uni. Ohne lange nachzudenken, verließ ich Berlin und
kam geradewegs zu Frau Doktor Hansen. Seither bin ich eine Dienerin Brahma
Babas.“
„Das
tut mir alles sehr leid, Maria. Und du weißt nicht, wie es deinen Eltern geht,
und deinem Bruder?“ „Nein. Ich will es auch nicht wissen, denn Brahma Baba hat
sich ihrer angenommen.“
„Aha.
Wenn das so ist, brauchst du dir ja wirklich keine Gedanken zu machen.“
„Ja,
Frau Doktor Hansen hat mir das ebenfalls bestätigt.“
„Du
hattest also einen Freund. Du warst Medizinstudentin. Und da ist nichts
passiert? Du weißt, was ich
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