Das Salz der Mörder
und zu erschlagen. Was für
eine Art von Zivilisation soll das denn sein, wenn jeder machen kann, was er
will, und Du schaust weg? Wenngleich Du alles kannst, vermute ich, dass Du die
ganz großen Wunder nicht mehr vollbringen willst, weil wir ihrer nicht würdig
sind. Und solltest Du bei meiner Tochter sogar eine Ausnahme machen, stehen
dennoch die Verbrechen der gesamten Menschheit dagegen.
Bitte
verzeih mir, wenn ich so unbeholfen zu Dir rede, leider weiß ich es nicht
besser. Du kennst mich ja. Lange hatte ich Dich vergessen. Es sind exakt sieben
Jahre her, als ich Dich erstmals in meinem Leben heimlich ansprach und
schüchtern um Deine Hilfe bat. Und Du halfst Steven und mir die irakische Hölle
in Kuwait zu überleben. Ein zweites Mal begegnetest Du mir nachdem Steven so
tragisch ums Leben kam. Ich bereue heute meine selbstherrlichen und anmaßenden
Äußerungen von damals und bitte Dich inständig um Vergebung. Ich weiß, Du bist
barmherzig. Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf
Erden. Danke, lieber Gott, gelobt sei Dein Name und der Name Deines Sohnes
Jesus Christus in Ewigkeit. Amen.
Nach
all dem schlief ich ein. Und ich schlief außergewöhnlich friedlich ein.
Richte daher
deinen Sinn auf das Salz und beschäftige dich nicht mit anderen Dingen. (Rosarium
Philosophorum)
39. Freddys Heimkehr
„Bist
dünn geworden, Freddy, siehst richtig abgemagert aus – nur noch Haut und
Knochen. Hast’ne Diät gemacht, stimmt’s? Aber setz dich doch. Wie gefällt dir
die Wohnung? Ich habe alles komplett umgestellt. Du warst ja nicht da, um mich
daran hindern zu können. Ach ja, das ist Franz. Wir leben seit einiger Zeit
zusammen.“
So
begrüßte mich Vroni und stellte mir diesen hünenhaften Witzbold vor, der aussah
wie ein Schrank. Nun saß er breitbeinig auf einem meiner Sessel und wusste
wahrscheinlich aus Verlegenheit nichts anderes, als in den Fernseher zu gucken.
„Schalte
bitte die Glotze aus, Franz! Ich glaube, Freddy ist gekommen, um mir etwas
Wichtiges mitzuteilen.“
„Ja.
Ich bin zurück“, hörte ich mich sagen, „ich bin wieder da.“
Für
Sekunden war es still. Ich nahm nur das ruhige und ausgeglichene Ticken unserer
alten Standuhr wahr. Mechanisch verfolgten meine Augen das hin und her
schwingende Pendel. Dann zerriss Vroni die Sprachlosigkeit im Raum: „Das
Wichtige, das du mir mitteilen willst, ist also, dass du zurück bist und dass
du wieder da bist. Toll, sehr eindrucksvoll! Du kommst leider ein bisschen zu
spät, mein lieber Freddy. Ein halbes Jahr warst du verschwunden, keine
Nachricht, keine einzige Zeile, nicht einmal angerufen hast du uns! Ständig
fragten die Kinder nach dir. Und jetzt bist du plötzlich wieder da?“ Sie wandte
sich von mir ab und sprach zu diesem Franz, dem Schrank - im Crescendo wurde
sie lauter: „Der Scheißkerl kommt hier hereinspaziert, als wäre nichts
geschehen und behauptet, dass er wieder da sei. Was denkt sich dieser Mann?“
„Vroni,
warum sagst du das? Nachdem wir von den Amerikanern die Erlaubnis erhielten
euch zu verständigen, konnte ich kostenlos Tag und Nacht ihre Telefone
benutzen. Glaubst du tatsächlich, ich hätte das nicht ausgenutzt? Ich schrieb
euch Briefe und Karten. Wieso lügst du? Wegen dem da?“ Mit meinem Daumen
deutete ich unbewusst auf den überfüllten Sessel.
„Ich
muss doch wohl bitten“, brummte der Schrank und stemmte seine Ellbogen in die
gepolsterten Lehnen.
„Franz,
du hältst deine Klappe!“ schrie Vroni zurück. „Franz ist Polizist, das solltest
du wissen.“
„Ja,
und? Was geht mich denn das an? Oder spielt der etwa beim ‚Tatort’ mit?“
„Du
solltest deinen Zynismus etwas unterdrücken, Wegner.“
„Anscheinend
hast du meine Briefe überhaupt nicht gelesen und weißt gar nicht, wovon ich
rede. Was mit Steven und mir passiert ist, interessiert dich natürlich auch
nicht“, fuhr ich dazwischen. „Als wir im letzten Sommer den Wochenendtrip nach
Kuwait unternahmen, wurden wir beide von den Irakern entführt und in einen
Kerker weit außerhalb Kuwait-City verschleppt. Die Amis haben mich erst heute Früh
aus dem Krankenhaus entlassen. Das habe ich bereits am Telefon versucht dir
klar zu machen.“
„Wochenendtrip?“
fragte sie, und legte grinsend ihren Kopf zur Seite. Ich blickte in ihre Augen,
sah wie ihre bleichen Hände zu zittern begannen. Dann sprang sie blitzschnell
auf und griff nach dem leeren Kristallaschenbecher, der unschuldig vor uns auf
dem
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