Das Salz der Mörder
hatte nicht einmal mehr einen Pfennig in der Hosentasche. Ich
hatte nur noch Steven, meinen einzigen Freund. Die Bahnfahrt war die reinste
Katastrophe. Andauernd musste ich mich vor den Schaffnern verstecken, manchmal
sogar aus den Zug springen, und es ging per Anhalter weiter. In der Nacht
schlief ich im zugigen Nürnberger Hauptbahnhof. Ich brauchte fast zwei Tage,
bis ich Steven wiedersah. Während ich ihm meine Shortstory erzählte, fing er
hemmungslos an zu lachen. „Entschuldige, bitte. Ich kann mir denken, wie dir
zumute ist. Einerseits ist es eine Tragödie, andererseits freue ich mich
darüber - also auf nach Ghana, Freddy!“
Stevens
Knochenbrüche verheilten nicht so schnell, wie anfänglich erwartet. Es sollte
mehr als ein Monat vergehen, bis er letzten Endes auf Krücken entlassen werden
konnte. Einstweilen wohnte ich in einer heruntergekommenen Pension in der Nähe
des Frankfurter Bahnhofsviertel. Steven gab mir Geld. Ich kümmerte mich um
unsere Papiere. Als das erledigt war, fuhr ich nach Berlin und besuchte zuerst
meine Schwiegereltern. Ich versuchte ihnen zu erklären, welche Probleme
zwischen Vroni und mir bestanden.
„Ist
das alles wahr? Ach, Junge, du tust uns ja so leid. Wo wohnst du jetzt? Vroni
rief an und hat uns vor dir gewarnt. Sie glaubt kein Wort von deiner
Geschichte.“
„Ja,
hat sie denn die Zeitung nicht gefunden? Ich habe sie doch am nächsten Morgen
extra in ihren Briefkasten gesteckt. Oder warf sie die weg, weil sie nur
flüchtig auf das alte Datum gesehen hat?“ fragte ich und legte ein Exemplar auf
den Tisch. Ich hatte jetzt noch zehn davon übrig. „Weil wir uns in der Nacht
stritten und mich dieser Franz aus unserer Wohnung stieß, hatte ich vollkommen
vergessen ihr den Artikel zu zeigen. Vielleicht würde sie der Presse mehr
Glauben schenken, habe ich gedacht.“
Ich
tippte mit dem Zeigefinger auf die große Überschrift auf der ersten Seite. „Da
steht alles ausführlich drin . . . Aber ich war so aufgeregt, wegen unserem
Wiedersehen - ich war völlig durcheinander, als ich diesen Franz sah.“
„Davon
hat sie uns nichts gesagt. Kinder, ich verstehe euch nicht. Gibt es denn keine
Möglichkeit, dass ihr euch noch einmal zusammensetzt und vernünftig aussprecht?
Was soll bloß aus Danny und Gaby werden? Wir begreifen auch nicht, was Vroni
mit diesem Franz will. Der passt überhaupt nicht zu ihr.“
„Oma,
ich begreife es doch erst recht nicht. Wenn irgendwas ist, dann ruft mich an.
Hier ist meine Frankfurter Adresse. Ich fahre nachher zu Mutti rüber. Ich
vermute, sie geht ständig arbeiten, weil sie es allein in ihrer Wohnung nicht
aushält. Sie sollte mal versuchen ruhiger zu treten in ihrem Alter. Besucht ihr
euch eigentlich ab und zu? Kann ich ihr was von euch ausrichten?“
„Aber
Freddy, weißt du denn nicht . . ., hat dir denn Vroni nichts gesagt?“ Beide
sahen sich an: „Deine Mutti starb im letzten November.“
40. Der neue Anwalt
„Wie
kann ich mich bloß bei Ihnen bedanken, Frau von Bentheim? Ich verdiene zwar
recht gut in der Klinik von Professor Haffner, doch die Anwaltskosten waren
wirklich ziemlich erheblich. Nochmals vielen Dank, dass Sie das alles für mich
tun.“
„Danken
Sie nicht mir, Frau Wegner, danken Sie vor allem meiner Schwiegermutter und dem
Zuspruch meines Gatten. Ohne diese beiden würde ich vermutlich nicht mit Ihnen
hier zusammensitzen. Das ist nicht gegen Sie persönlich, verstehen Sie mich
bitte richtig. Es geht ausschließlich ums Geschäft. Sie kosten mir viel Zeit,
die ich kaum erübrigen kann. Aber das nur am Rande. Zuallererst möchte ich mein
aufrichtiges Bedauern darüber ausdrücken, was Ihnen widerfahren ist. Ihr Kind
ist verschwunden. Verschleppt vielleicht, vielleicht missbraucht, vielleicht
gequält, vielleicht ermordet. Alle nehmen Anteil und sind erschüttert. Die
Verwandten und Bekannten, die Nachbarn und Arbeitskollegen. Alle sind bestürzt.
Irgendwann muss das Leben aber weitergehen, Frau Wegner, das sagen selbst die
Geduldigsten. Was Ihren ehemaligen Rechtsbeistand betrifft, war das – ich
drücke es vornehm aus - rausgeworfenes Geld. Für einen Fall, wie den Ihren,
wäre in Anbetracht der Sachlage ein Privatdetektiv effektiver gewesen. Ich habe
übrigens solch einen privaten Sherlock Holmes bei der Hand, der mir noch
etliche Gefälligkeiten schuldet. Wie das nun mal so ist: Eine Hand wäscht die
andere. Seine Arbeitsmethoden sind - wie soll ich es formulieren - ziemlich
unkonventionell und nicht
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