Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
Vom Netzwerk:
ich
hilflos, und sie zuckte mit ihren Schultern. Erneut verwies sie mich an ihren
Vorgesetzten. Ja, der Herr dort drüben im karierten Sakko. Am Schreibtisch
dieses freundlich lächelnden Herrn angelangt, erklärte ich ihm ziemlich
umständlich meine jetzige Situation: dass mir auch meine Eurocard bei der Reise
abhanden gekommen wäre, ich daher gegenwärtig keinen Zugriff auf die
Geldautomaten hätte, selbstverständlich der Verlust der Karte bereits angezeigt
sei und ich nun letztendlich von dem gemeinsamen Konto der Familie Wegner
Bargeld abheben möchte.
    Als
der nette Mann in dem modischen Jackett und dem Harald-Juhnke-Gesicht auf der
Tastatur seines Computerterminals mehrere Zahlen- und Buchstabenfolgen
eintippte und dann einen Aktenordner aus dem Rollschrank hinter sich
hervorzauberte, glaubte ich einen erstaunten Ausdruck im Gesicht des gelernten
Geldjongleurs zu erkennen. Außerdem erhoffte ich von der Juhnke-Imitation einen
Hauch von Alkohol wahrzunehmen. Mit hochgezogenen Augenbrauen studierte er für
einen Moment eingehend seine beziehungsweise meine Kontounterlagen. Daraufhin
beugte er sich mit besorgter Stirn über den Schreibtisch – mir näher kommend,
und von Schnaps keine Spur. Dann eröffnete er mir unerwartet nüchtern
folgendes: „Ihre Frau hat Ihr gemeinsames Konto aufgelöst und ein eigenes
eröffnet. Sie hatte ernsthaft die Befürchtung, Sie würden - entschuldigen Sie
bitte, Herr Wegner, ich zitiere wörtlich aus meinen Dokumenten: ,Mein Mann hat
mich böswillig verlassen und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit einen
erheblichen Teil unseres gemeinschaftlich erwirtschafteten Geldes dazu
verwenden, um es mit käuflichen Frauen durchzubringen. Da ich die Scheidung
bereits eingereicht habe, wird das Familiengericht in Kürze die Aufteilung
unseres Eigentums beschließen. Für weitere Auskünfte steht der in Freilassing
ansässige Rechtsanwalt Herr Doktor Merkl zur Verfügung‘. Adresse, und so weiter
und so fort.“
    „Und
Sie dürfen das Konto ohne meine ausdrückliche Zustimmung, ohne mein
Einverständnis von heute auf morgen schließen? Ohne Gerichtsbeschluss? Immerhin
bin ich genauso . . .“
    Ich
unterbrach mich selbst mitten im Satz, stand auf und ließ den Mann mit seinen
Computerausdrucken und Zahlenkolonnen allein sitzen. Ohne mich zu
verabschieden, durchquerte ich schnellen Schrittes die menschenleere
Schalterhalle. „Sie haben doch Ihre Frau böswillig verlassen, Herr Wegner! Das
müssen Sie doch zugeben, nicht wahr? Unser Geldinstitut hat mit Ihren privaten
Zerrüttungen nicht das Geringste zu tun!“ hörte ich Harald Juhnke hinter mir
rufen.
    Nach
dieser Pleite wählte ich Vronis Telefonnummer: „. . . es ist aber wahr!
Verdammt noch mal, warum glaubst du mir denn nicht? Du kannst dich ja
erkundigen: bei der UN-Vertretung in Kuwait, beim amerikanischen
Militärkrankenhaus in Frankfurt und unter Umständen gibt dir sogar die CIA eine
Auskunft.“ Ohne etwas zu erwidern, knallte Sie den Hörer auf. Es war aus. Es
war vorbei. Ich ging in die Autowerkstatt von Johann Prächtl, meinem einstigen
Chef. Der ließ mich erst gar nicht in sein Büro, als mich seine Sekretärin
anmeldete.
    „Wer?
Der Wegner! Das war doch der Berliner mit dem großen Mundwerk, der bei jedem
Brimborium unablässig nach dem Betriebsrat aufgeschrien hat. Als ob wir bei uns
in Bayern für Zugereiste eine Gewerkschaft bräuchten. Da gibt man denen aus dem
ehemaligen Osten eine Chance und dann so was . . . Der kann froh sein, dass er
überhaupt Deutscher ist“, brüllte er durch die halb geöffnete Tür.
    Ich
wusste nicht wohin. Mit den paar Groschen, die ich noch besaß, versuchte ich
zum tausendsten Mal meine Mutter anzurufen. Wie erwartet, meldete sich wieder
jemand anderes am anderen Ende der Leitung. Seitdem ich von Berlin weggezogen
war, löste sich der Kontakt zu meiner Mutti immer mehr. In dem Restaurant am
Alexander Platz hatte sie ihre Kollegen, ihre Stammgäste, ihre Ablenkung, und
sie wusste, sie wurde gebraucht. Ich dagegen hatte mein Alibi, in dem ich mir
einredete, dass es meiner Mutter gut ginge. Ich sollte mich schämen.
    Mit
leerem Kopf und nichts im Magen, lief ich verwirrt durch die winterliche
Kleinstadt und stand überraschenderweise wieder vor Vronis Haustür. Plötzlich
fiel mir die „Frankfurter Rundschau“ ein, die ich mit mir herumtrug. Ich schob
ein Exemplar durch ihren Briefkastenschlitz.
    Dann
fuhr ich zurück nach Frankfurt. Ich hatte keinen Pass, ich hatte keinen
Ausweis, ich

Weitere Kostenlose Bücher