Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
elegant gekleidetes Publikum die luxuriösen Auslagen der Edelboutiquen anschaute oder zielstrebig die nächste Cocktailbar ansteuerte. Hier gab sich das reiche Moskau ein Stelldichein; hier sah man und wurde man gesehen, ein Muß unter den oberen Zehntausend. Er leerte das Glas in einem Schluck, fühlte mit wohligem Schauer, wie der Alkohol sanft brennend die Speiseröhre hinunter rann. Schon sah die Welt versöhnlicher aus! Er steuerte die Schranktür ein weiteres Mal an. Auf einem Bein läßt sich schlecht stehen.
Inzwischen saß er wieder an seinem Schreibtisch. Er überlegte, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, um die Scharte auszuwetzen – personelle in Nowokusnezk, konspirative in den südlichen GUS-Staaten. Er schaute auf die Uhr. Es war zwanzig nach zwei. Vielleicht würde er Janus noch vor dem Mittagessen erwischen. Er stieß sich zurück, rollte mit dem Sessel bis zur Schrankwand in seinem Rücken und beugte sich zu einem eingelassenen Tresor hinunter. Die Tür stand offen. Er griff nach dem Satellitentelefon und rollte zurück zum Schreibtisch. Er wählte aus dem Gedächtnis Janus‘ Nummer, geduldete sich mit sichtlicher Mühe, bis die Funkstrecke endlich aufgebaut war. Es dauerte eine ganze Weile, bis Janus sich meldete: „Ja, bitte?“
Jason ließ die nervtötende Sieben-Sekunden-Frist verstreichen, bevor er das Gespräch eröffnete. „Jason hier. Mit wem spreche ich?“
„Janus.“
„Tag, Janus. Ich habe schlechte Nachrichten: Ignatijew ist uns durch die Lappen gegangen.“
Er hörte, wie Janus am anderen Ende schnaufte. Dennoch klang dessen Stimme beherrscht: „Wie das?“
Jason hatte sich die Erklärung der Vorgänge in Nowokusnezk und die Maßnahmen, wie sie sich aus seiner Sicht ergaben, vor dem Gespräch schon mehrfach durch den Kopf gehen lassen. Entsprechend konzentriert kam er zur Sache: „Zwei unserer Leute haben sich offensichtlich überrumpeln lassen. Wäre früher nicht passiert. Sie beobachteten, wie Ignatijew einem Ortsfremden den Weg erklärte, als ihr Fahrzeug von einem Lieferwagen gerammt wurde. Sie wurden beide gegen das Armaturenbrett geschleudert, dabei erheblich verletzt. Als sie sich einigermaßen berappelt hatten, war Ignatijew verschwunden, natürlich auch der Fremde. In dem Lieferwagen saß erwartungsgemäß niemand mehr. Versteht sich von selbst, daß die Karre gestohlen war ...“
Janus fiel ihm ins Wort: „Haben Sie eine Vermutung, wo Ignatijew ist? Welche Maßnahmen wurden ergriffen?“
Jason war sich darüber im klaren, daß ihm der kritische Teil des Gespräches nun bevorstand. Zwar mochten sie sich, aber Janus konnte äußerst unleidlich werden, wenn Dinge aus dem Ruder liefen. Das war in Nowokusnezk unzweifelhaft der Fall. Er entschied sich, die Lage ungeschminkt wiederzugeben. „Ich habe keinerlei Hinweis darauf, wer dahinter steckt und wo Ignatijew sich momentan aufhalten könnte. Ich gehe davon aus, daß er von einem oder mehreren Kollegen der Gegenseite, vermutlich der CIA, ‚begleitet‘ wird. Sie werden versuchen, nach Pakistan zu gelangen, um uns dort auf die Schliche zu kommen. Sie werden dies sicherlich nicht auf dem Landweg tun ...“
Wieder unterbrach ihn Janus: „Kommen Sie zu den Maßnahmen, Jason! Ich übertrage Ihnen die Leitung für diese Aktion im gesamten südasiatischen Raum, zumindest solange, bis in Pakistan die Nachfolgefrage im paramilitärischen Bereich geklärt ist. Noch etwas: Unsere beiden Nuklearexperten aus Dr. Khans Team wurden vor wenigen Stunden wegen Geheimnisverrats festgenommen. Wie ich eben erfuhr, scheint es Probleme zu geben, sie rechtzeitig freizubekommen. Es sieht so aus, als wollten die Pakistaner den Amis zuliebe kurzen Prozeß machen. Was das bedeutet, wissen Sie. Das bedeutet aber auch, daß wir Ignatijew lebend brauchen! Er wäre in diesem Falle unser einziger sofort verfügbarer Experte. Lebend, hören Sie! Bringen Sie das den Mudschahidin bei! Kriegen Sie das hin, als Russe, meine ich?“
Jason konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Ganz klar, Janus brauchte ihn! Das würde dazu beitragen, die heute erlittene Schmach vergessen zu machen. „Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Wir wissen, wie wir mit den Brüdern umzugehen haben! Allerdings stellt das einen Paradigmenwechsel dar. Wird den simplen Gemütern nicht leicht fallen, das alles zu verstehen. Vergessen Sie nicht – das sind Söldner, keine Strategen! Wahrscheinlich müssen wir zur Disziplinierung Exempel statuieren, im Extremfall den einen
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