Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
weit stärkerem Maße als Sie – kollektiv und individuell.«
Die meisten Männer senkten nur die Augen, als sie das hörten, und einige unterdrückten ein schwaches Lächeln. Elizabeth musterte langsam ein Gesicht nach dem anderen.
»Wir haben hier eine hochinteressante Versammlung, wie ich sehe. Einige von uns waren vor wenigen Jahren Feinde im Krieg, aber notwendigerweise sind Erinnerungen dieser Art von kurzer Dauer. Wir wollen sehen.«
Ohne einem Individuum besondere Aufmerksamkeit zu widmen, fuhr Elizabeth Scarlatti schnell fort, fast als bete sie
eine Litanei herunter: »Mein Land hat, wie ich betrübt feststelle, zwei Mitglieder verloren, aber ich glaube nicht, daß Gebete für Boothroyd und Thornton angebracht sind. Wenn doch, so bin ich zumindest nicht diejenige, die sie vortragen wird. Aber die Vereinigten Staaten sind immer noch hervorragend von Mr. Gibson und Mr. Landor vertreten, die zusammen fast zwanzig Prozent der riesigen Ölinteressen im amerikanischen Südwesten vertreten. Ganz zu schweigen von gemeinsamen Aktivitäten in den kanadischen Nordwestterritorien. Kombinierter persönlicher Wert – zweihundertfünfundzwanzig Millionen... Unser früherer Feind Deutschland bringt uns die Herren von Schnitzler, Kindorf und Thyssen. IG-Farben – der Baron der Ruhrkohle – die großen Stahlgesellschaften. Persönlicher Wert? Wer kann das in diesen Tagen der Weimarer Republik schon sagen? Vielleicht hundertfünfundsiebzig Millionen, höchstens. Aber jemand fehlt in dieser Gruppe. Ich hoffe, man wird sich darum bemühen, ihn zu gewinnen. Ich spreche von Gustav Krupp. Er könnte den Einsatz beträchtlich erhöhen. England sendet uns Masterson, Leacock und Innes-Bowen. Wohl das mächtigste Triumvirat, das man im britischen Empire finden kann. Mr. Masterson ist für die Hälfte aller Indienimporte zuständig, und wie ich höre, jetzt auch für Ceylon. Mr. Leacock repräsentiert den größten Teil der britischen Aktienbörse. Und Mr. Innes-Bowen ist der Inhaber der größten Textilindustrien in Schottland und auf den Hebriden. Den Gesamtwert veranschlage ich auf dreihundert Millionen. Frankreich war ebenfalls großzügig. Mir ist bekannt, daß Monsieur d’Almeida der wahre Besitzer des französisch-italienischen Eisenbahnsystems ist. Ohne Zweifel ist das zum Teil auf seine italienische Herkunft zurückzuführen. Und Monsieur Daudet. Gibt es hier irgendeinen unter uns, der nicht irgendwann einmal einen Teil seiner Handelsflotte eingesetzt hat? Persönlicher Wert – einhundertfünfzig Millionen... Und zuletzt unsere Nachbarn im Norden, die Schweden. Herr Myrdal und Herr Olaffsen. Verständlicherweise...« Hier warf Elizabeth dem Mann mit dem seltsamen Gesicht am Kopfende der Tafel, ihrem Sohn, einen gezielten Blick zu. »Verständlicherweise verfügt einer dieser Herren, Herr Myrdal, über großen Einfluß
auf Donnenfeld, die mächtigste Firma der Stockholmer Börse. Wohingegen die zahlreichen Gesellschaften von Herrn Olaffsen lediglich die Kontrolle über den Export des schwedischen Eisens und Stahls besitzen. Der persönliche Wert wird auf einhundertfünfundzwanzig Millionen beziffert... Übrigens, Gentlemen, unter >persönlicher Wert< verstehe ich jenes Eigentum, das leicht, schnell und ohne Gefährdung der betreffenden Märkte in Geld verwandelt werden kann. Ansonsten würde ich Sie nicht beleidigen, indem ich Ihr Vermögen nur so gering einschätze.«
Elizabeth hielt inne und stellte ihre Aktentasche vor sich auf den Tisch. Die Männer waren erregt, gespannt. Einige schockiert, wie beiläufig hier Dinge ausgesprochen wurden, die sie im Schutz strenger Vertraulichkeit glaubten. Die Amerikaner Gibson und Landor hatten das kanadische Geschäft ohne Ankündigung in Angriff genommen, und ohne daß sie dafür eine juristische Sanktionierung besessen hätten, und sie hatten damit die US-kanadischen Verträge verletzt. Die Deutschen von Schnitzler und Kindorf hatten geheime Konferenzen mit Gustav Krupp abgehalten, der verzweifelt darum kämpfte, neutral zu bleiben, aus Angst, Weimar könnte eingreifen. Krupp hatte geschworen, sie zu desavouieren, wenn die Öffentlichkeit von diesen Konferenzen erfahren sollte. Der Franzose Louis François d’Almeida hütete das Wissen um das Ausmaß seines Einflusses auf das französisch-italienische Eisenbahnsystem wie sein Leben. Sollte davon etwas an die Öffentlichkeit gelangen, so bestand Gefahr, daß der Staat das System konfiszierte. Er hatte die Aktienmehrheit von
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