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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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Als ich ein Glas für ihn fand, erklärte er mir, ich solle mir auch eins nehmen.
    «Oh, aber nichts für mich, Sir.»
    «Komm schon, Biddy», bettelte er. «Ich hatte eine höllische Nacht. Hab alles am Spieltisch verloren. Trink mit mir, ja?»
    Seine Verführungskünste verfehlten bei mir ihre Wirkung nicht, aber zuerst lief ich zurück in meine Kammer und holte ein Schultertuch, in das ich mich einwickelte. Als ich zurückkam, hatte er sich einen ganzen Humpen eingeschenkt und bedeutete mir, ich solle mich zu ihm an den Tisch setzen.
    «Das kann doch nicht angenehm für dich sein, Biddy. Allein hier unten mit Meeks …»
    Ich überlegte, ob er mich aufziehen wollte, doch er blickte mich freundlich an. «Das stimmt wohl, Sir.»
    «Auf eine Wendung des Schicksals!», prostete er mir rasch zu. Er hob sein Glas, und ich tat es ihm nach.
    «Also», fing er an, nachdem er sein Glas geleert hatte. «Du fährst bei diesem Ausflug nach Italien mit, den meine Schwester unternimmt. Das muss doch für dich eine gute Wendung des Schicksals sein?»
    Ich wusste, dass er mich für ein Landei halten musste, weshalb ich antwortete: «Ich glaube, so groß das Glück eines Einzelnen auch sein mag, es lässt sich doch immer noch vergrößern.»
    Er warf mir einen langen Blick zu. «Darauf trinke ich.»
    Er kippte das Glas und schenkte sich nach. «Wusstest du übrigens, dass meine Schwester und ich schon so manche Stunde in dieser Küche verbracht haben? Dieses Haus wurde in der Zwischenzeit umgebaut. Als wir herkamen, war unser Kinderzimmer kalt wie ein Grab und alles andere als fröhlich. Carinna war erst vier und ich noch ein Kleinkind. Es war ein entsetzlicher Ort.»
    Im Licht der Kerze wirkten seine Augen fast flüssig und formbar. Und seine plumpe Art erweckte bei mir den merkwürdigen Eindruck, dass er versuchte, mein Vertrauen zu gewinnen. «Unser Onkel war alles andere als ein herzlicher Mann, schon damals nicht. Ich bin sicher, ihr Diener redet viel über ihn. Ich schwöre dir, ich bin überhaupt nicht so wie er.» Die letzten Worte sagte er so eindringlich, dass ich den Eindruck gewann, er sei ein Junge, fast noch ein Kind, und viel jünger als Carinna und ich. Er hatte diese Angewohnheit, seine Männlichkeit zu betonen, ohne dass es ihm gelang. Beinahe bedauernswert. «Eines Abends war das Gesinde so laut, dass Carinna und ich die Treppe runterschlichen und in unseren Nachthemden durch das des Geländer spähten. Hier unten hatte sich eine Horde Diener zusammengefunden, die aus einem Kessel Wunder schöpfte, der aus den Resten vom Schnaps meines Onkels bestand. Sie sangen und tranken auf ihn. Stell dir also vor, wie ich mit der kleinen Carinna Rosinenkuchen naschen durfte und wir unsere ersten Gläser Alkohol kippten, obwohl unsere Finger eigentlich noch zu klein waren, um die Becher zu halten.» Bei der Erinnerung lachte er leise.
    Ich nickte. Seine manierliche, honigsüße Stimme lullte mich ein.
    «Hier habe ich von den besten Lehrern das Glücksspiel gelernt. Wir haben sogar für die Diener getanzt, nachdem der Tisch abgeräumt war. Wie zwei kleine Tierchen, die zum Pfeifen einer Blechflöte hüpften. Wenn ich mich verbeugte und Carinna einen Knicks machte, schallte der Beifall fast bis unters Dach.»
    Er verstummte und fuhr mit der Hand über den abgenutzten Tisch, als könnte er so die Geister wieder heraufbeschwören. Dann öffnete er eine zweite Flasche und schenkte sich nach, während ich nur einen Zollbreit nahm. Es dauerte nicht lange, ehe der Alkohol seine Zunge wieder löste. Er starrte in die Dunkelheit jenseits des kleinen Lichtkegels.
    «Wir wurden vom Familiensitz in Irland hergebracht. Nur Carinna erinnert sich noch an Ormond, an die tausend Morgen bestes Ackerland und das schöne Steinhaus. Sie hat immer viel davon geredet. Wie groß es war. Über die berühmten Jagdgründe. Dort wurde ich geboren, und ich schwöre bei Gott, eines Tages werde ich dort meinen letzten Atemzug tun. In der Zwischenzeit hat mein verfluchter Onkel Pächter in das Haus gesetzt. Aber ich hole es mir zurück.» Wieder verstummte er und starrte ins Herdfeuer.
    Ich fragte: «Wie wollt Ihr das bewerkstelligen, Sir?»
    Sein Blick ruckte hoch. «Ach, weißt du … Das Glück kann sich von einem Tag auf den anderen für jeden von uns wenden. Und so wird es mir eines Tages an den Spieltischen ergehen. Wenn das passiert, holen wir uns Ormond zurück.»
    Er sank wieder in sich zusammen und starrte in sein Glas. Plötzlich fragte er

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