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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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Seltenes Ambra, Rosenwasser und Moschus erwarb ich von meinem Wirtschaftsgeld. Als ich vor einem Glasschrank stand, entdeckte ich sogar etwas noch Besseres:
Manus Christi.
Das Konfekt hatte gar nicht die Form der Hand Christi, wie Mrs. Garland und ich es immer geglaubt hatten, sondern es waren transparente Lutschbonbons in einem Glas, die von eingeschlossenem Blattgold und gemahlenen Perlen funkelten. Diese Süßigkeit war nicht billig, und ich musste eine von Mr. Harbirds goldenen Guineen hergeben, um eine kleine Tüte voll zu kaufen, aber es war mir eine Freude, ein kleines Päckchen an Mrs. Garland in England zu schicken. Unsere Reise bedeutete für mich, dass ich bis zu unserer Ankunft in der Villa nichts von ihr hören würde, doch ich betete, dieses Allheilmittel möge meine Freundin von ihrem Leiden erlösen.
     
    Zurück im Gasthaus händigte ich meiner Herrin die Medicin des Arztes aus. Er hatte sie bereits zur Ader gelassen, und ihr wächserner Arm war noch verbunden. Nachdem sie ein paar Tropfen von der Medicin zu sich genommen hatte, ließ sie den Kopf aufs Kissen sinken und sah mich aus stumpfen Augen an.
    «Himmel, das ist so ungerecht. Ich hatte mich so sehr auf die Oper gefreut.»
    Ich nickte, doch riskierte ich es lieber nicht, irgendwas zu sagen. Immer noch war ich gereizt, weil sie mich zum Conte schicken wollte. Mir war außerdem unwohl, weil ich fürchtete, alles zu verderben.
    «In ein paar Wochen sollten wir in der Villa ankommen. Trotzdem verhältst du dich immer noch wie ein Bauerntrampel», sagte sie und sperrte beim Gähnen den Mund so weit auf, dass ich fast ihr Frühstück sehen konnte. «Du weißt fast gar nichts über das Verhalten einer Lady. Versuch doch bitte, besser aufzupassen. Sieh mich an, Biddy. Man muss unverschämt sein, um zu überleben. Ich war kaum länger als ein Jahr an einer Schule für junge Ladys, und danach musste ich mich ganz auf mein Aussehen und meinen Verstand verlassen. In dieser Welt musst du dir nehmen, was du willst. Niemand wird diesen Kampf für dich führen.»
    Danach schlief sie ein, und ich war mit der Aufgabe allein, die sie mir gestellt hatte. Das Verhalten einer Lady, nun gut. Da klingelte was bei mir. Während der langweiligen Tage, die sie in Turin ans Bett gefesselt war, las ich die Teile im
Schatzbuch der Köchin
, die sich um das
Verhalten einer echten Lady
drehten. Es gab viele Ratschläge, dass man die Zunge im Zaum halten sollte, die von der alten Schreiberin als ein
schlüpfriges Glied, das zu Bösem verleitet
bezeichnet wurde. Das brachte mich zumindest zum Lachen, denn die Schreiberin wusste bestimmt nichts davon, was man in den Wirtshäusern als derben Scherz darunter verstehen würde, während sie doch nur von der Zunge sprach. Dann lernte ich viel darüber, was eine Lady nicht tun darf: Sie darf nicht wild sein und nicht laut lachen. Nicht auf einen reich gedeckten Tisch starren oder Männerwitze reißen. Na, das klang schon eher nach mir und sollte kein Problem sein, bis mir aufging, dass eine Edeldame solche Sachen eben
nicht
tun sollte. Was mich etwas verzweifeln ließ.
    Ich ließ meinen Blick über den
Ratgeber einer Lady in Liebesdingen
schweifen, und dort las ich zu meinem Leidwesen, dass eine milchig zarte Lady immer angesichts jedes Kompliments stumm bleiben soll und wie gelähmt stocksteif vor jedem Verehrer steht. Es gab aber auch gute Ratschläge, wie zum Beispiel den, gut hinzusehen, bevor man jemandem sein Herz schenkte. Rückblickend hätte diese Weisheit mich vorangebracht, denn ich hatte mir Jem Burdett tatsächlich nicht genau genug angesehen. Das Buch sagte außerdem, eine Lady solle das Herz eines Mannes als Ganzes beurteilen, ehe sie sich ihm als Eheweib hingab, und das war ein guter Rat fürs Leben. Tugend, Freundlichkeit und Kameradschaft waren bei einem Mann sehr willkommen, was für mich schon arg merkwürdig klang. Ich überlegte lange, ob ich schon mal von so einem Mann gehört hatte.
    Während ich diese klugen Sachen im
Schatzbuch der Köchin
las, fiel mir auch wieder ein, dass der Valentinstag gekommen war. In jener Nacht steckte ich fünf Lorbeerblätter in mein Kissen und sagte das Sprüchlein auf, damit ich von meiner wahren Liebe träumte. Danach begab ich mich in der winzigen Kammer zur Ruhe. Zu meinem Erstaunen hatte ich sogar einen Traum, in dem ich in einem fremden Haus war und in den Armen eines Mannes aufwachte, von dem ich genau wusste, dass er so freundlich, tugendhaft und kameradschaftlich war,

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