Das Schicksal der Paladine - Gejagt (German Edition)
Der Runenmeister kannte eine Rune nicht?
Banian näherte seine Hand der Rune, die irgendwie am Fels der Decke haftete. Noch ehe er sie berührte, fing die Rune an zu vibrieren. Sowohl sie selbst als auch der Fels, an der Stelle wo sie anhaftete, wurden rot glühend und strahlten Licht ab. Der Runenmeister setzte die Hülle wieder auf die Lampe, wobei sie verlosch. »Mächtige Runenmeister waren hier am Werk«, murmelte er dabei.
»Aus eurem Volk?«, fragte Tristan neugierig.
Kurz meinte er Verunsicherung in der Miene des Runenmeisters zu erkennen, doch Banian hatte sich schnell wieder im Griff. Er warf Tristan nur einen missbilligenden Blick zu und ließ die Frage unbeantwortet.
Der Gang war deutlich steiler als jene Spiraltunnel, die Tristan von seiner letzten Reise in die Unterwelt kannte. Es würde ein hartes Stück Arbeit, wieder hinaufzuklettern, schon der Abstieg war für Tristan anstrengend. Was ihm noch mehr Sorge bereitete, war die Tatsache, dass es nirgends Abzweigungen zu geben schien. Wenn ihnen also der Feind entgegenkam, hatten sie keinerlei Möglichkeit, sich zu verstecken, und sie waren nur zu viert. Ob die Katze heranrückende Feinde wohl rechtzeitig zu wittern vermochte, damit sie den Gang hinauf fliehen konnten? Wohl kaum, wo doch der Luftzug den Gang hinab wehte. Vielleicht würde Banian im Falle eines Angriffs einfach Tristan das Amulett geben und sich auf dessen Schildzauber verlassen.
Kaum war Tristan dieser Gedanke gekommen, begann er geradezu zu hoffen, dass ihnen Oger oder Wolfsmenschen entgegentreten würden, denn er wusste nicht, wie er in seiner jetzigen Situation sonst an das Amulett gelangen sollte. Eine Katzenfrau blieb immer hinter ihm und er war sich sicher, dass sie zur Stelle sein würde, wenn er versuchte seine Zaubermale zu benutzen.
Sie trafen auf keine Feinde. Nach einer Ewigkeit endete die Spirale in einer kleinen Halle. Hier warteten Nesslaja und Lissann auf sie, verborgen in einer dunklen Ecke der nur spärlich erhellten Höhle. Aus der Halle führte nur ein Gang und aus ihm drangen Geräusche. Tristan konnte sie nicht genau zuordnen, es klang wie ein Heulen. Zwischenzeitlich dröhnte etwas so laut, dass es in den Ohren schmerzte, hin und wieder waren Rufe zu hören.
Lissann erstattete kurz Bericht. Sie war den Wolfsmenschen gefolgt, die ohne Rast den ganzen Weg hinabgeeilt waren. Weiter vorzudringen hatte sie angesichts der Geräusche jedoch nicht gewagt. Sie wartete nun schon eine ganze Zeit hier.
»Hoffen wir, dass die Wolfsmenschen nicht noch viel tiefer hinabgestiegen sind und wir sie aus den Augen verloren haben,« brummte Banian. »Lasst uns gehen.«
Nesslaja runzelte die Stirn. »Meister, die Katze wittert Wolfsmenschen, sehr viele. Wir sind nur zu sechst. Wie sollen wir ...«
»Lass das meine Sorge sein«, unterbrach sie Banian. »Oder zweifelst du an mir?«
Nesslaja senkte ergeben den Kopf. »Natürlich nicht, Meister.«
»Es war mir klar, dass wir es mit vielen Feinden zu tun haben werden, doch das spielt keine Rolle«, erklärte er. »Ich habe alles bedacht.«
Tristan glaubte zu verstehen. »Gebt mir das Amulett am besten schon jetzt, damit ich mich erholt habe, ehe es zum Kampf kommt. So kann ich uns mit einem Schild vor allem beschützen.«
Banian drehte sich mit erhobenen Brauen zu ihm um und lachte auf. »Nein, Bursche, das gehört sicher nicht zu meinem Plan.« Damit wandte er sich zum Ausgang und schritt voran.
Tristan zögerte. Was in aller Welt hatte der Runenmeister bloß vor? Er wusste zwar nicht, über welche Mächte Banian selbst gebot, glaubte aber nicht, dass ein Runenmeister es mit einem Paladin aufnehmen konnte, sonst hätten die Vanamiri diese ja nie gebraucht.
»Geht«, befahl eine der Katzenfrauen hinter ihm und gab Tristan einen Stoß. Widerwillig setzte er sich in Bewegung. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen, um an das Amulett zu gelangen.
Martin und die anderen kamen noch an vielen Kreuzungen vorbei und er war sich bald sicher, dass diese Kaserne Platz für mehrere tausend Wolfsmenschen bot. Doch nirgends war eine Spur von Leben in den Gängen. Dafür hörten sie im Haupttunnel seit einiger Zeit Geräusche. Zuerst war es nur ein Dröhnen gewesen, das in uneinheitlichen Abständen zu ihnen drang und immer lauter wurde, je näher sie kamen. Seit einiger Zeit mischte sich auch ein vielstimmiges Heulen darunter. Dazu war der Geruch, der ihnen mit dem Lufthauch entgegen wehte, immer penetranter geworden. Martin
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