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Das Schicksal der Zwerge

Das Schicksal der Zwerge

Titel: Das Schicksal der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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menschliche Umrisse ausgestreckt im Schnee. Mallenia erkannte, dass es sich um die Stadtwachen handelte, und sie zügelte ihren Schimmel.
    Lautes Prasseln und Knacken von tobendem Feuer erklang, Stimmengewirr näherte sich ihr, und das Pferd schnaubte aufgeregt.
    Die Wachen waren mit präzisen Stichen getötet worden. Mitten auf dem Weg lag die enthauptete Leiche einer Frau, die Mallenia als Tilda Küferstein kannte. Tränen schössen ihr in die Augen, Kummer und Hass beherrschten ihre Gedanken und zwangen sie dazu, durch die Gassen zum Haus ihrer Verwandten zu preschen. Obwohl sie genau wusste, dass sie zu spät kam.
    Auf den Straßen liefen rufende und schreiende Menschen umher, die ihr Hab und Gut an sich gepresst hielten; einige trugen lediglich ihre Kinder, andere hatten das Notwendigste oder Kostbarste auf Pferde, Esel oder Rinder geladen und strömten dem Ausgang zu.
    Der Brand tobte in dem Viertel, in dem Küfersteins Haus gestanden hatte, und das Gebäude ihrer Verwandten stand mitten in dem Inferno.
    Mallenia hielt an, während sich der Strom der Flüchtenden rechts und links an ihr vorbei ergoss; manche prallten in ihrer Kopflosigkeit gegen die Brust des Schimmels, der aufgeregt tänzelte. Niemand versuchte, die Lohen einzudämmen vielleicht hatte man es probiert und aufgegeben. Wenn kein Wunder geschah, würde Hangenturm ein Opfer des Feuers werden.
    Ihre Gedanken rotierten. Sie hatte Tilda nicht besonders gut gekannt und ihr sich dennoch wegen ihrer aufrichtigen Art verbunden gefühlt. Auf etwas mehr als zehn Begegnungen in ihrem Leben waren sie nicht gekommen, und vor allem hatte sie keinerlei Ahnung von dem Plan zum Raub des Zehnten gehabt. Zumal die Albae zu diesem Zeitpunkt noch nichts vom Verlust der Schätze gewusst haben konnten. Einzig ihre gemeinsame Abstammung war ihr zum Verhängnis geworden.
    Die Strafe, welche Tilda und Hangenturm ereilte, war ungerechtfertigt. Völlig ungerechtfertigt.Mallenia gab sich nicht der Illusion hin, dass es die Albae kümmerte. Sie merzten Mallens Nachfahren aus, mehr wollten sie nicht. Zumindest diese Wahrheit war aus Hargorins Mund gekommen.
    Jemand packte ihren rechten Fuß und den Steigbügel.
    »Ihr seid es, Mallenia!«, sagte ein Mann, dessen Gesicht sie unter dem Ruß und den Brandblasen zuerst nicht erkannte. Sein wollener Mantel und die Schuhe waren größtenteils verbrannt, als wäre er in den Flammen umhergelaufen.
    »Enslin?« Sie wollte absteigen, doch er hinderte sie mit einer Geste daran. »Flieht! Die Dsön Aklän sind noch in der Nähe«, rief er voller Furcht und sah sich um. »Sie suchen nach Euch.« Er griff in das Geschirr des Schimmels und zerrte ihn um die eigene Achse, richtete ihn auf das Tor auf. »Ihr müsst am Leben bleiben, Mallenia. Fahrt fort, Widerstand zu leisten, und gebt niemals auf, hört Ihr?! Ich war ein Narr, Eure Sache nicht zu unterstützen.«
    »Ich ...« Ihre Blicke schweiften über die vielen flüchtenden Menschen, die im Begriff standen, alles zu verlieren, was sie in den vorangegangenen Zyklen aufgebaut hatten. Ihr Kampf erschien ihr sinnlos, wenn er Unschuldige ins Verderben riss. Rötha berührte sie am Bein, seine verbrannte Hand hinterließ einen wässrigen Abdruck auf dem Stiefel, und sie meinte, die Hitze spüren zu können, welche von ihm ausging. »Die Albae und die Dritten sind die wahren Feinde unseres Volkes, nicht Ihr«, schärfte er ihr ein. »Ihr seid die Hoffnung, die uns geblieben ist. Wenn Ihr sterbt, ist alles vorüber.« Er gab dem Schimmel einen harten Klaps, und das Pferd ritt los. So sehr sie sich anstrengte, es ließ sich nicht mehr bändigen. Das Gewusel in den Gassen, das Geschrei, der Geruch von Rauch und das Prasseln des Feuers hatten seine Furcht übermächtig werden lassen.
    Mallenia verließ Hangenturm und fühlte sich hilfloser und besiegter als jemals zuvor, und das trotz ihres Erfolgs, den sie über die Begehrer errungen hatte. Auch der Triumph über deren Anführer verblasste.

III
    Das Jenseitige Land, die Schwarze Schlucht, Festung Übeldamm, 6491. Sonnenzyklus, Winter.
    Boindil saß seinem Freund im Licht zahlreicher Lampen gegenüber und beobachtete grinsend, wie er das Essen in sich hineinstopfte. »Die hatten wohl auf der anderen Seite des Schildes nichts Ordentliches«, bemerkte er feixend. »Niemand bereitet die Felsgraupen mit Gugulhack so gut zu wie Goda. Habe ich recht, Gelehrter?« Sie hatten sich in Boindils Gemächer zurückgezogen, um nach dem Trubel in Ruhe zu speisen.

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