Das Schicksal der Zwerge
senkte sich zügig durch eine Luke nach unten. »Bis später«, sagte sie knapp und verschwand.
»Nackt«, seufzte Rodario und ging zur Luke, um der Prinzessin nachzuschauen. Wenn er sich nicht sehr täuschte, hatte sie bereits den Mantel abgestreift und machte sich an ihrer Bluse zu schaffen. »Ich hätte mich gern als ihr Kleiderständer angetragen.« »Das würden alle gern, aber sie bewundert nur einen Mann: den unbekannten Poeten«, sagte Loytan entnervt und goss sich von dem kochendheißen Tee in einen Becher. »Möchtet Ihr auch etwas? Zum Aufwärmen?«
Rodario sah nach unten und glaubte, helle Haut schimmern zu sehen. Was die Einbildungskraft alles bewirkte. »Etwas zum Abkühlen käme mir gelegener«, antwortete er und erntete einen Lacher.
»Das war richtig gut«, lobte der Graf und reichte ihm dennoch einen Becher Tee. »Ich denke, dass die Umläufe des unbekannten Poeten gezählt sein werden«, meinte er dann. »Jetzt, da man weiß, um wen es sich dabei handelt.« Loytans Züge wurden nachdenklich, die Stoppeln darauf machten ihn älter und männlicher. »Die Lohasbrander werden seine Familie und sein Dorf vernichten lassen.«
»Aber sie werden es nicht schaffen, den Gedanken an die Freiheit zu vernichten«, hielt Rodario dagegen und nippte am Tee, ohne die Augen vom Grund zu wenden. Es ging einfach nicht.
In der Tiefe leuchtete es mit einem Mal bläulich auf, und die Wände des Schachtes erstrahlten im unteren Drittel wie blaue Edelsteine in der Sonne. Er erkannte die Umrisse der jungen Frau deutlich, und auch wenn er es nur vermuten konnte, sah er sie in seiner Phantasie unbekleidet. Unbekleidet und begehrenswert.
Er seufzte schwer und wandte sich ab. »Sie würde niemals einen Mann wie mich lieben«, murmelte er verkniffen.Loytan prostete ihm zu. »Da teilen wir eine Sache, Schauspieler.« Erstaunt sah er den Adligen an. »Aber Ihr habt doch schon eine Gemahlin!«
»Sicher«, wiegelte er ab. »Ich wollte Euch nur trösten, damit Ihr Euch nicht so alleine fühlt.« Loytan trank von seinem Tee. »Nebenbei bemerkt: alleine. Was ist mit Eurer Familie? Ihr seid an der Seite einer wohlgesuchten Verbrecherin gesehen worden gilt es, jemanden vor den Lohasbrandern in Sicherheit zu bringen?«
Rodario schüttelte den Kopf. »Nein. Meine Eltern sind schon lange tot, und ansonsten gibt es niemanden. Außer den Nachfahren des Unglaublichen, und ich denke nicht, dass der Drache so weit gehen würde und alle töten ließe.«
»Bei ihm weiß man nie.« Loytan setzte sich. »Ihr seid zum achten Mal dabei gewesen und wieder nur Letzter geworden. Warum habt Ihr kein Einsehen und gebt auf?« Rodario lächelte traurig und versuchte, sein Bärtchen zu richten. »Ich habe es jemandem versprochen, so lange am Wettbewerb teilzunehmen, bis ich einmal gewonnen habe.« Er leerte seinen Becher. »Ich weiß, was Ihr sagen wollt: eine unmögliche Aufgabe. Doch ich sehe es anders. Eines Umlaufs, das schwöre ich Euch ...« Loytan hob die Hand. »Das sagtet Ihr bereits, und ich zweifele immer noch. Vor allem nun, da Ihr gesucht werdet, ist es Euch unmöglich, noch einmal nach Mifurdania zu gehen und auf die Bühne zu steigen.«
»Höchstens zu meiner Hinrichtung«, fügte er verschmitzt hinzu. »Aber das wäre ein Auftritt, den mir keiner streitig machen wollte.« Theatralisch schleuderte er die Haare zurück.
»Hört, hört: noch ein Funke Schlagfertigkeit. Und das von Euch! Meinen Respekt, Ihr werdet allmählich besser. Da widerspreche ich Euch nicht.« Loytan legte die Füße auf den Tisch, faltete die Hände über dem Bauch und senkte den Kopf. »Ich werde ein Schläfchen halten. Es kann dauern, bis die Prinzessin zu uns zurückkehrt.« Er schloss die Augen. »Trinkt so viel Tee, wie es Euch bekommt. Und denkt Euch schon mal stimmige Begrüßungsworte aus, wenn Ihr vor der rechtmäßigen Königin von Weyurn stehen werdet. Sie bevorzugt, im Gegensatz zu ihrer Tochter, die Etikette.« Rodario trank seinen Tee, stellte den Becher auf den Tisch und schlenderte wieder zur Luke; das Leuchten im Schacht war noch in vollem Gange.Er sah zu Loytan, der bereits tief ein und ausatmete, dann zu den Seilen, welche in die Tiefe führten. »Du bist der Nachfahre des Unglaublichen«, sprach er sich selbst Mut zu und zog seine Handschuhe aus dem Gürtel. Er legte sie an und streifte den störenden Mantel ab. »Also los. Tu etwas, das ihm gefallen würde. Blamiert hast du dich schon oft genug, wenn auch aus gutem Grund.«
Mit einem Sprung
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